Die Favoritin
Nach den paar Sätzen, die ich erhaschen konnte, ist jedenfalls sicher, daß sie sich davon ihre Rehabilitierung und sonstige Vorteile erhoffen. Schufte, die! Die Wohltaten des Inka so zu vergelten …! Ich schäme mich …«
»Martin, ich muß in den Palast. Geht Ihr zurück. Sie dürfen nichts ahnen, sonst seid Ihr der nächste.«
»Ach, ich«, sagte Martin.
Wie oft sehe ich noch diesen überdrüssigen Zug um seinen Mund, ich sehe ihn, und es tut mir weh.
Ich werde nie erfahren, ob Manco meine Warnung ernst nahm oder nicht. Die Augen auf den Boden gerichtet, die Seele wie entrückt, hörte er meine Worte und schickte mich weg.
Ich verbrachte den Tag in Ängsten, ging andernmorgens wieder in den Palast. Manco empfing mich nicht. Als ich meine Sänfte bestieg, strauchelte ich, und die bösen Vorzeichen häuften sich. Mehrmals liefen mir Schauer durch den ganzen Leib, und es sauste mir in den Ohren, ich trat auf einen Skorpion, eine Dienerin gähnte dreimal vor mir, zwei Spinnen … Ich höre auf, es langweilt Euch. Die Europäer fühlen nicht wie wir voraus, sie wissen die Zeichen nicht zu deuten, durch die sich das Unglück ankündigt, sie lachen darüber, zu Unrecht.
Erschöpft legte ich mich beizeiten nieder.
Fern erklang ein Flötenkonzert, das aus dem Palast kam. Manco gab ein großes Bankett zu Ehren seiner spanischen Gäste, ein Bankett, das die Reihe der Festlichkeiten und Opferfeiern beschloß, die seit der Ankündigung unseres Aufbruchs einander gefolgt waren. Die Musik beruhigte mich ein wenig.
Ist Euch aufgefallen, Pater Juan, daß die tragischen Ereignisse in meinem Leben mich meist aus tiefem Schlaf gerissen haben?
Verstört, ungekämmt, schlotternd vor Kälte wurde ich in dieser verhängnisvollen Nacht von den Trägern in den Gärten des Inka abgesetzt, wo wir einst so glückliche Stunden verlebt hatten. Ich lief los. Die Frauen wichen auseinander. Ich fiel auf die Knie. Mancos Tunika und Mantel waren rot vor Blut, aber er atmete. Der Hohepriester hob mich auf. Die Ärzte umringten Manco. Man trug ihn fort. Ich blieb zwischen den stummen Würdenträgern und der heulenden Dienerschaft allein.
Ich rang um Fassung. Ich hatte das Schlimmste befürchtet. Das Schlimmste war an uns vorübergegangen … Manco lebte!
Während ich mir dies immer wiederholte, suchte ich mit den Augen nach Martin. Durch den Diener, den Inkill Chumpi mir mit der Nachricht geschickt hatte, wußte ich schon, daß die Spanier das Attentat verübt hatten, aber Martin …
Da ich ihn nirgends sah, brach ich das niedergeschmetterte Schweigen der Würdenträger.
Ich fasse zusammen, was sie über das Drama berichteten: Nach dem Bankett hatte Manco eine Partie des Kugelspiels angesetzt, seine bevorzugte Zerstreuung. Diego Mendez gewann Manco ein Goldstück ab, verlor es wieder und empörte sich …
Von da an widersprachen sich die Zeugen. Den einen zufolge stürzte sich Diego Mendez auf Manco und traf ihn mit seinem Degen; die anderen sagten, Manco habe im Verlauf des Spiels ein düsteres Vorzeichen gesehen, er habe seiner Garde befohlen, die Spanier umzubringen, daraufhin hätten Diego Mendez und seine Kameraden sich auf ihn gestürzt und auf ihn eingestochen.
Aber Martin …?
Arme wiesen nach einem großen Feuer weiter unten am Hang.
»Die weißen Männer sind den Garden entkommen. Sie haben sich in das Haus geflüchtet, das der Inka ihnen zur Wohnung gab. Sieh, es brennt. Die Garden haben es in Brand gesteckt und umzingeln es. Wenn das Feuer die weißen Männer hinaustreibt, werden sie von den Garden getötet.«
Ich eilte hinab.
Als die Terrassen hinter mir lagen, lief ich einen Pfad hinunter, der zu dem Haus führte. Ich brauchte nicht weit zu laufen. In niedrigem Buschwerk lag eine dunkle Gestalt.
Ein Schwert oder eine Lanze hatten Martin zwischen den Schultern durchbohrt. Ich öffnete das Wams. Sein Herz schlug nicht mehr. Ich setzte mich auf die Erde, drückte Martin an mich und wiegte ihn, wie ich mein totes Kind gewiegt hatte.
Manco überlebte seine Wunden nur fünf Tage. Kurz vor seinem Tod ernannte er, wie es bei uns Brauch ist, seinen ältesten legitimen Sohn zum Herrn und Gebieter, den jungen Sayri Tupac.
Dann kam das langsame, das grausame Abschiedsdefilee. Der ganze in Trauer gehüllte Hof beugte sich, einer nach dem anderen, über Mancos Lager, seinen letzten Atem und seine Worte zu empfangen. Endlich rief er mich.
»Asarpay, dieser ist dein neuer Inka. Sei ihm in allem dienstbar … Und du,
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