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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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sonst um nicht viel geschert hatte. Jahrelang hatte sie es häufig besucht, wenn sie auch in respektvoller Entfernung geblieben war, um es nicht zu erschrecken. Obwohl es sich irgendwann an ihre Gegenwart gewöhnt hatte, war es nie näher gekommen, hatte nie aus ihrer Hand einen Apfel oder etwas Kraftfutter genommen.
    Eine der beiden Gestalten war fast so schlank und geschmeidig wie Alasdair. »Das war Benny«, flüsterte sie Grau zu.
    Der rührte sich nicht. Sein Blick war starr auf die Burg gerichtet. Hätte er geatmet, hätte sich seine Brust wohl unter heftigen Atemzügen gehoben und gesenkt, aber er war still, ganz still.
    Sie dachte ein wenig über Benny nach. Über sein schmales Gesicht und die Augen, die so anders waren als die von Alasdair. Alasdair konnte wütend werden, und wie, fast konnte er einem Angst einjagen, aber wenn man ihn so anschaute, war es schwierig, sich vorzustellen, dass ihn etwas aus der Ruhe bringen konnte. Benny hingegen brodelte nur so vor Zorn. Sie wusste, dass Schmerz darunter lag, so bodenlos, dass sie sich davon angezogen fühlte wie von einem tiefen Abgrund, dem man sich näherte, um schaudernd einen Blick hineinzuwagen. Was aber ansonsten noch darunter lag, wusste sie nicht. Freundlichkeit, glaubte sie. Grau jedenfalls mochte ihn, und die Windgeister taten es auch. Allerdings war auf die Menschenkenntnis von Feenwesen nicht unbedingt Verlass, sie verschenkten ihre Zuneigung so spontan und unberechenbar, wie sie kamen und gingen.
    Reglos warteten sie, während sich die Schatten vertieften. Die Schwarze Banshee war kein Dämmerungswesen wie die normalen Banshees, von denen es rund um Glen eine Handvoll gab. Früher hatte Leslie ihnen gern gelauscht, ihren kleinen, kurzen Gesängen, wenn das Leben einer Maus endete oder eines Vogelkinds, das sein Nest nie verlassen würde. Ihren etwas komplexeren Liedern, wenn es eine Kuh traf oder eins der rotbraunen Rehe, die sich vereinzelt im Moor herumtrieben. Und am liebsten den seltenen, langen Liedern, wenn ein Mensch starb. Bis es angefangen hatte, sie mit Schrecken zu erfüllen und zugleich mit Sehnsucht. Bis sie in der Nacht, als Conways Nichte unten im See starb und am Ufer eine Banshee für sie sang, verstanden hatte, was es bedeutete, einen sterblichen Körper zu haben.
    Grau regte sich unruhig. Beruhigend strich sie ihm übers Fell. Eine ganze Weile später kamen die Jungs wieder aus dem Stall. Nebeneinander waren sie ein lustiger Anblick, der langbeinige Benny und der untersetzte Miles Cooper, der dahinstampfte, als wollte er, dass dort, wo er auftrat, nie wieder Gras wuchs. Auch er war zornig, aber auf eine Weise, die sie eher amüsierte als anzog. Sein Zorn hatte etwas Verdrossenes, ihm fehlte die Hingabe. Und die Unberechenbarkeit. Coopers Zorn war so berechenbar wie eine mit dem Lineal gezogene Linie, bedeutungslos, klein und allzu menschlich.
    »Halt dich schön von Ärger fern«, flüsterte sie Benny hinterher und wusste gleichzeitig, dass er es nicht tun würde. Nicht lange. Neben ihr schnaubte Grau. Hinter den Jungs fiel die Tür zu.
    Sie waren wieder allein hier draußen. Allein mit der anrückenden Nacht und der Schwarzen Banshee, die irgendwann kommen würde.
    Sie warteten lange. Die Dämmerung wurde zur Nacht, und die Nacht bekam eine Weile nach Mitternacht jenen silbrigen Schimmer, in dem alle Geräusche klarer sind und zugleich leiser als zu jeder anderen Zeit. Die Welt schien sich zu weiten, als dehne sie sich in einem tiefen Atemzug aus, und die Pforten zwischen den Welten schwangen auf. Nicht weit genug, um einen Sterblichen hindurchzulassen, aber weit genug für alle, die keinen Körper besaßen.
    Zuerst spürte sie es an Graus Unruhe. Und an der Stille. Es war, als würden selbst die Windgeister schweigen, das leise Murmeln und Wispern in den kahlen Zweigen der Sträucher und Bäume verstummte. Es war kein ängstliches, sondern ein respektvolles Schweigen. Erwartungsvoll. Viele Unsterbliche lauschten gern dem Gesang einer Banshee, da bildete auch diese hier wohl keine Ausnahme. Die kleinen Tiere hingegen stoben vermutlich davon, wenn sie kam. Oder kümmerte es sie nicht? Leslie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sich ihr Herzschlag beschleunigte und sie sich zugleich am liebsten die Ohren zugehalten und begierig gelauscht hätte, ob sie vielleicht einen zarten ersten Klang aufschnappte.
    Aber da war nichts, nur Stille. Plötzlich bekam sie Angst. Schon ein paarmal hatte sie nachts das Moor durchstreift, auf der

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