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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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Einsamkeit.
    Bist du nicht müde?
    Leslie griff sich an die Brust. Unter den Rippen schlug gleichmäßig und zu schnell ihr Herz. Ja, sang jeder angestrengte Schlag in ihrem Blut. Ja, ich bin müde. So müde. In ihr brannte die Sehnsucht, das Lied der Schwarzen Banshee zu Ende zu hören, als wäre sie ein schläfriges Kind, dessen Mutter ein ersehntes Schlaflied nach zwei Takten abgebrochen hatte und sie ganz allein der Dunkelheit überließ.
    Verwirrt schüttelte sie den Kopf und tastete über die körnige Wand der Turnhalle. Sie schien unter ihren Fingern nachzugeben wie weiches Fleisch. Sie fühlte sich warm an, und mit einem Mal glaubte Leslie, sie müsste nur das Ohr darauflegen, um unter der körnigen Oberfläche Blut durch lange, verschlungene Adern fließen zu hören.
    Ihre Zähne schlugen hart aufeinander. Ihr Atem ging schnell, sie versuchte, langsamer zu atmen, aber ihre Lungen flatterten hektisch. Mühsam blinzelte sie, die Augenlider waren schwer. Die leisen Klänge, zart, lockend, gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf.
    Sie dachte an Ned Finley. Ned Finley, der am Rand eines Tümpels mitten im Moor gestanden hatte, ein gutes Stück von dem sicheren Flecken entfernt, an den Alasdair und die anderen Idioten ihn geschickt hatten. Seinen Blick und seine Angst. Die unsicheren Schritte, bevor er angefangen hatte zu schreien, dass etwas mit dem Boden sei, auf dem er laufe, dass er falle, beim Laufen falle, dass die Erde weich sei, als laufe er auf dem Leib eines toten Riesen. Sie schauderte.
    Ned Finley hatte wieder aufgehört zu schreien, William Davenport nicht. Vielleicht schrie er noch immer, wo auch immer sie ihn jetzt verwahrten. Was sah und fühlte er? Und was hatte sie ihn gefragt?
    Sie strich über die Wand, die wieder etwas fester war unter ihren Fingern, aber noch immer nachgab und warm war wie lebendes Fleisch.
    Wahnsinn. Eine gewöhnliche Banshee machte den Tod erträglich. Die Schwarze Banshee lockte mit Wahnsinn. So leicht, so einfach. Ja, sie war müde. Warum nicht die Augen schließen und schlafen? Warum nicht alles aufgeben, was sie ermüdete, und einfach ins Moor hinauslaufen?
    Gin irrte sich, begriff sie, und sie selbst hatte sich auch geirrt. Die Schwarze Banshee würde niemanden töten. Eine gewöhnliche Banshee erleichterte einem Sterbenden, Geist und Körper zu trennen und Abschied zu nehmen. Die Schwarze Banshee riss beides gewaltsam auseinander und trieb den Geist aus dem lebenden Leib, als würde sie einen Knecht vom Hof prügeln. Und Leslie hatte nur wenige Klänge vernommen, ehe sich Grau zwischen sie und die Schwarze Banshee warf.
    Mühsam raffte sie sich auf und schüttelte die Schwäche ab. Sah zur Burg hinüber. Zwar trug Felix nachts Ohrenstöpsel, aber sie würde ihm noch einmal einschärfen, es ja nicht zu vergessen.
    Bist du nicht müde?
    Sehr, dachte sie. Aber für dich, du Mistvieh, wird es gerade noch reichen.
    Gerade wollte sie sich aufmachen, um Grau zu folgen, als er zurückkehrte. Sein Fell war voller Kletten. Er schnaufte besorgt.
    »Ich bin okay«, sagte sie leise, als er sich an sie drängte. Sie schaute in die Dunkelheit, die das Moor und seine Bewohner verbarg, dann zur Burg. Wenigstens, dachte sie, fürchtete die Schwarze Banshee Grau. So wie es auch der Kelpie tat. Sie krampfte die Hände in die Seiten, um ihr Zittern zu verbergen.
    Die Mauern des diesseitigen Glen hoben sich dunkel zum Himmel empor. Dahinter schliefen Menschen, die nicht wussten, was sich hier draußen herumtrieb.
    »Bleiben wir noch?«, fragte sie Grau.
    Hechelnd setzte er sich neben sie. Sein Fell roch ganz leicht nach nassem Hund. In der Nacht waren wieder Geräusche zu hören. Die ganz normalen Laute einer ganz normalen Nacht.
    »Die ganze Nacht?«, fragte sie.
    Er leckte ihr die Hand. Aufseufzend ließ sie sich neben ihm ins feuchte Gras sinken. Ihr war wohler, wenn sie hier waren. Ihr war wohler, wenn sie aufpassten, dass die Schwarze Banshee nicht zurückkehrte. Wenigstens heute nicht. Eine ruhige Nacht für Glen, in der nichts an den Toren und unter den Fenstern herumstöberte, das nicht dorthin gehörte. Und eine ganze Nacht an Graus Seite. Sie grub eine zitternde, eiskalte Hand in sein Fell, das sich so echt anfühlte, als säße tatsächlich ein Wolfshund neben ihr. Weil die Kälte nicht aus ihren Knochen weichen wollte, schmiegte sie sich an ihn. Sie war so müde, dass sie sich am liebsten dort, wo sie war, auf dem Boden zusammengerollt hätte, um zu schlafen. Die Müdigkeit reichte

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