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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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wisperte Lumpi furchtsam. »Aber nicht eingeladen. Hat nicht geklopft.«
    »Hat der Besuch etwas gesagt?«, erkundigte sich Leslie vorsichtig. Sie wollte dem kleinen Kerl keine Worte in den Mund legen. Allzu viel schlauer als Sil war auch er nicht.
    »Nichts gesagt.« Lumpi schüttelte den Kopf. Seine kleinen Augen waren tiefschwarz, man hätte ihren starren Blick ein wenig unheimlich finden können, wenn man ihn nicht kannte und wusste, dass er so harmlos war wie eine Stubenfliege. »Nichts gesagt. Gesungen.« Die schwarzen Augen waren dunkel vor Furcht, aber seine Stimme klang schwärmerisch. »So schön gesungen.«

22 Zusammenstöße
    22 ZUSAMMENSTÖSSE
    W o Grau steckte, wusste Leslie nicht. Sie ging gar nicht erst zu Gin zurück, um nachzuschauen, ob er inzwischen wieder aufgetaucht war, sondern marschierte direkt über den Marktplatz und am See entlang nach Glen. Kaum spürte sie ihren Körper, kaum konnte sie einen klaren Gedanken fassen, wie von selbst liefen ihre Füße voran, und in ihren Schläfen hämmerte das Blut. Zwar hatte sie Mariah nicht gesehen, aber in ihrem Kopf gab es dennoch ein sehr klares Bild von der alten Frau, wie eine Fotografie, wie sie mit weit aufgerissenen Augen im Bett saß, den Mund halb offen, ohne etwas zu sehen oder zu begreifen.
    Bist du nicht müde?
    Was hatte eine über Achtzigjährige dieser Frage wohl entgegenzusetzen?
    Ihre Füße trommelten über die Brücke. Sachte wehte sie das Bewusstsein an, dass der Kelpie in der Nähe war, aber für ihn hatte sie jetzt keine Zeit. Alasdair, dachte sie, o Alasdair. Jetzt wirst du zugeben müssen, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist.
    Die Mauern schienen zu erbeben, als sie durch das Tor trat, als wären sie kaum mehr als eine Illusion, nicht stabiler als eine Fata Morgana, ein Feenbild, das sich beim nächstbesten Windstoß auflösen konnte. Die schwere Tür zur Großen Halle jedoch war eindeutig stabil genug, sie setzte ihr Widerstand entgegen. Kurz hatte Leslie das Bild vor Augen, wie sich von innen etwas dagegenstemmte, um sie aufzuhalten. Dann gab die Tür nach.
    Zahllose MacGregors starrten sie von den Wänden an, dazwischen Waffen. Es war niemand da. Niemand jedenfalls, der sich blicken ließ. Nur in den Winkeln regten sich träge die allgegenwärtigen Schatten, die in den Dämmerungsstunden, in denen die Verbindung zwischen beiden Welten fast offen stand, aus dem anderen Glen herübersickerten und sich in der alten Burg ablagerten wie Sediment.
    Leslie nahm die Abkürzung durch die unteren Gänge. So gut immerhin kannte sie sich hier aus, obwohl sie sich auch früher höchstens in den großen Ferien hier herumgetrieben hatte. Allzu vertraut war ihr die Burg nicht, die sich seit Jahrhunderten in Familienbesitz befand. Dies war das Reich von Alasdair … und das ihrer Schwester, auf der anderen Seite. Vor allem Letzteres. Das andere Glen, auch wenn sie es nur durch Graus Augen gesehen hatte, nie mit den eigenen, war für sie wirklicher als dieses hier.
    Just als sie das dachte, lief erneut ein Zittern durch die Mauern. Keuchend stützte sich Leslie an der Wand des Korridors ab, durch den sie geeilt war – und zuckte zurück. Die Steine fühlten sich unter ihrer Hand warm an.
    War das ein Echo der Nacht, ein Echo des Irrsinns, den der Gesang der Schwarzen Banshee ihr eingepflanzt hatte? Oder war es etwas anderes? Reglos blieb Leslie stehen und lauschte. Ihr Herz schlug schnell.
    In der Wand am Ende des Korridors erschien eine Tür. Die Steine schmolzen auseinander und machten Platz für eine schmale Holztür, die exakt so aussah wie die von Gins Schuppen.
    Leslie blinzelte. Die Tür war noch immer da.
    Reglos stand sie da und starrte sie an. Die Tür verschwamm, und zuerst glaubte sie, sie verschwände wieder, dann begriff sie, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.
    Bist du nicht müde?, fragte die Tür. Und dann: Willst du nicht einfach zu mir kommen, meine Schwester?
    Schmerzhaft brandete die Versuchung auf und überschwemmte Leslie mit so tiefer Sehnsucht, dass sie sich nicht rühren konnte. Und das war gut so, denn ihre Füße zuckten und wollten auf die Tür zugehen, hinter der … ja, was wartete dahinter? Das Feenreich, in das sie ihren sterblichen Körper mitnehmen würde, der dort drüben seine Sterblichkeit vergaß? Das andere Glen. Das Dämmerungsglen, in dem es weder Tag noch Nacht wurde. Ein feuchtes, lebendes Glen, das sich regte und unter dem Blick veränderte, hier eine Mauer aufsteigen ließ, dort eine

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