Die Feen - Hallmann, M: Feen
mit der Figuration und eher abstrakt. Für heute wollte ich mit Ihnen eigentlich tiefer in das Thema Suizid einsteigen. Ich bitte um Ihre persönliche Einschätzung, inwiefern das für Sie tragbar ist oder nicht, angesichts der jüngsten Ereignisse. Ja, Mister Cooper?«
»Also, ich finde das gut«, sagte Cooper und nahm die Hand wieder runter. Es war nur ein ganz kurzer Blick, den er Benny zuwarf.
»Danke für diese qualifizierte Meinung. Noch jemand?«
Gil Darcy fand es »wichtig, dass man über so etwas spricht«, Daniel Green war der Meinung, dass Unterricht eben Unterricht sei und stattzufinden habe wie geplant, und erkundigte sich nach der Alternative für die heutige Stunde, wenn man den Lehrplan umwerfe. Die Alternative war, das Thema erst einmal auszuklammern und die Struktur des nächsten Romans zu erarbeiten. Den hatten offenbar noch nicht alle gelesen, außerdem klang das nach Arbeit, und man war deutlich mehr angetan von der Vorstellung, ein bisschen herumzuplaudern zu können, weil angesichts der persönlichen Dimension der Sache doch hoffentlich nicht einmal die Teagle darauf bestehen würde, dass strenger Bezug auf irgendwelche Romane genommen würde. Curtis MacFallon meldete sich. »Ich halte es für wichtig, dass wir darüber reden und es aufarbeiten«, erklärte er. »Man darf so etwas nicht totschweigen. Die Auseinandersetzung mit unseren Gefühlen, was den tragischen Tod unseres Mitschülers betrifft, ist unabdingbar.«
Benny fügte sich in das Unvermeidliche. Richtigen Unterricht, wurde der Teagle noch versichert, könne man sich augenblicklich ohnehin nicht vorstellen, jetzt sei die Realität des Geschehenen erst so richtig ins Bewusstsein gesickert, und nun sei man kaum in der Lage, sich zu konzentrieren. Wenn sich Benny nicht sehr täuschte, war die Teagle nicht ganz überzeugt und wäre gern zurückgerudert, jetzt war es jedoch zu spät. Also erklärte Cooper, dass Selbstmord feige sei und für ihn nie infrage käme, weil es doch immer irgendwie eine Lösung gäbe. Ian Lee meldete sich und sagte, er würde gern den Film sehen, schließlich beruhe der Roman auf dem Film und nicht umgekehrt, und damit sei das Ganze für ihn eigentlich gar kein richtiger Roman. Der kleine Dave Bennett versuchte tapfer, Parallelen zum Roman zu ziehen, und sagte, Felix hätte ebenso wie Todd Anderson einfach abwarten müssen, bis die Schule vorbei sei und er machen konnte, was er wollte.
»Glaubt ihr denn, nach der Schule wird irgendetwas anders?«, fragte Oliver da erstaunt in die Runde.
»Interessant«, lobte die Teagle. »Eine gute Frage, Mister Hegeling.«
»Vielen Dank, Miss Teagle.«
»Schleimer«, knurrte Richard.
»Wie sehen Sie es denn selbst?«, fragte die Teagle. »Wenn Sie schon mal dabei sind, sich so ernsthaft auf den Unterrichtsgegenstand einzulassen – glauben Sie nicht, dass sich nach der Schule einiges ändert?«
Oliver zog die Schultern hoch. »Ich glaube, dass es immer darauf ankommt, sich irgendwie durchzuschlagen. Dass man sich immer in einem Geflecht von Abhängigkeiten befindet. Dass man immer schauen muss, von wem man abhängig ist und wem man es recht machen muss, um voranzukommen. Und wer damit in der Schule nicht klarkommt, tut es auch später nicht.«
Der Krötenkobold auf Bennys Tisch regte sich gelangweilt. Seit Unterrichtsbeginn hatte er nichts Schlimmeres getan, als dazuhocken und warzig zu sein und vermutlich nicht gut zu riechen, was Benny dank Gins Salbe egal sein konnte. Jetzt fing das leise Blubbern wieder an, das die Schleimproduktion ankündigte. Vorsichtig legte Benny eine Hand auf den Bauch, über dem Magen. Ihm war so ununterbrochen übel, dass er sich nicht mehr erinnern konnte, wie es war, wenn einem nicht danach zumute war, seine Eingeweide quer über den Tisch zu erbrechen. Die ganze Welt hatte einen leichten Grünstich und war verschwommen, und er fühlte sich fiebrig.
»Blödsinn«, fand Dave Bennett, der eindeutig kühner geworden war, seit er sich in Olivers Firma Transformers in der Ideenentwicklung sehr hervortat.
»Hey, hey!«, warnte ihn Oliver. »Wer dem Chef widerspricht, dem wird das Gehalt gekürzt!«
Bennett lutschte am Mittelfinger und winkte ihm damit zu. »Also, meine Mutter sagt …«
»Seine Mami !«, höhnte irgendwer hinter Benny halblaut.
»… dass sich alles ändert«, fuhr Bennet unbeirrt fort. »Sie ist nicht gern zur Schule gegangen, und jetzt geht sie sehr gern zur Arbeit. Weil sie sich etwas gesucht hat, was ihr gefällt.
Weitere Kostenlose Bücher