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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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es eine schwächliche, dünne Stimme aus vielen Kilometern Entfernung, während mitten durch seinen Kopf ein Güterzug raste.
    Er holte noch einmal aus und schlug mit aller Kraft zu, mitten in dieses dumme Gesicht, das sich in tausend Fragmente aufgelöst hatte, da ein Auge, weit aufgerissen, da noch eins, ein schreiender Mund, die blöde kleine Nase, es machte nichts, mitten hineinzuschlagen. Über dem Rauschen und Brausen in seinem Schädel hörte er nichts anderes mehr. Keinen Schrei, nicht seinen Namen, gar nichts.
    Als er zum dritten Mal ausholte, packte ihn jemand und zerrte ihn von den Augen, dem Mund, der Nase weg. Knurrend wehrte er sich, befreite sich fast aus dem Griff, weitere Hände packten zu, seine Füße schleiften über den Boden, traten zu und trafen Schienbeine. Falls jemand aufschrie, hörte er es nicht. Er selbst riss den Mund auf, brüllte vor Wut, wollte nur wieder zurück, wollte frei sein und weiter zuschlagen. Bis das Gesicht kaputt war.
    Ein Schatten tauchte vor ihm auf. Jemand schlug ihm ins Gesicht. Er spuckte und fauchte und schnappte. Eine weitere Ohrfeige. Dann, mitten durch das Getöse, plötzliche Kälte und Nässe. Das erreichte ihn. Mühsam schüttelte er den Kopf, blinzelte durch nasse Wimpern. Seine Zähne waren noch immer in einem besinnungslosen Knurren entblößt. Aber die Tentakel zogen sich zurück, sie hinterließen blutige Spuren in ihm, Leere. Der Zorn war noch da, aber das Rauschen ebbte ab. Blinzelnd starrte er in ein Zimmer, dessen Konturen wieder auftauchten, als verwehe dichter Nebel. Sah eine aschfahle, ovale Fläche vor sich. Es dauerte drei oder vier Herzschläge, bevor er die Fläche als Gesicht identifizierte. Ein bleiches Gesicht, das ihm vage, sehr vage bekannt war. Zwei weitere Herzschläge, dann folgte der Erkenntnis ein Name: Richard. Es war Richard, der direkt vor ihm stand und ihn anstarrte, eine halb leere Wasserflasche in der Hand.
    Die Kraft wich aus seinem Körper. Auf einmal fühlte er sich schwach wie ein kleines Kind. Er klappte die Lippen zurück über die Zähne, die Lippen waren zu klein, die Zähne zu groß, es erforderte Präzision, sie mit dem bisschen Fleisch und Haut zu verdecken. Die Welt war wie ein Puzzle, das er allmählich zusammensetzte. Da stand Richard. Dort krümmte sich Miles Cooper am Boden, zwei seiner Freunde beugten sich über ihn. Links und rechts von ihm Leute, die ihn festhielten. Riesige Betten, ein hoher Raum. Schottland. Er war in Schottland. Die Fremdheit der Welt ließ ihn zurückschaudern.
    Dann kehrten auch die Geräusche zurück, sein heftiger Herzschlag, ein hohes Wimmern, das von Cooper stammte, keuchender Atem – sein eigener. Er schluckte Speichel und atmete tief aus.
    »Geht’s wieder?«, fragte Richard tonlos. Seine Lippen bewegten sich, bevor die Worte ankamen, die Wirklichkeit war nicht gut synchronisiert.
    Benny nickte. »Ja. Ja, geht wieder.« Ganz glaubte er sich selbst nicht, und seine Stimme klang fremd und heiser. Das hohe Winseln von Cooper ging ihm auf die Nerven.
    »Heilige Scheiße«, stieß Richard hervor. »Heilige … heilige Scheiße, Mann.«
    Vorsichtig ließen die beiden ihn los, es waren Oliver und Callahan, beide ebenso bleich wie Richard. Mit dem Ärmel wischte sich Benny über das Gesicht. Mit der Klarheit kam die Scham. Coopers Winseln wurde zu Worten. »Du hast«, keuchte er, »du hast mir … du hast … mir … die Nase gebrochen. Du hast …«
    Nicht einmal Oliver machte irgendeinen Spruch. Stattdessen reichte er Cooper ein Taschentuch. Cooper riss es ihm aus der Hand und drückte es an die Nase, schrie auf und warf es fort. Es war blutgetränkt. Fassungslos starrte er seine blutige Hand an.
    »Tut mir leid«, sagte Benny tonlos. Er war weit fort, oder das hier war weit fort, auf jeden Fall war er ziemlich sicher, dass das hier nicht echt war. Als könne er die Zeit anhalten, im Raum umhergehen und alles berühren, zurechtrücken, es war eine Kulisse voller Requisiten, und vielleicht stand auf dem einen oder anderen Möbelstück oder Jungen oder der Fensterbank Made in China . Er unterdrückte ein Lachen, es wäre schwierig zu erklären gewesen.
    »Es tut dir leid ?«, kreischte Cooper, und Benny schaute ihn stumpf an und versuchte, interessiert auszusehen.
    »Glaub mir, noch tut es dir nicht leid, aber das wird es, es wird dir leidtun, worauf du dich …«
    Er verstummte. Alle verstummten. Benny folgte den Blicken. In der Tür stand Alasdair, hinter ihm zwei weitere Schüler.

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