Die Feen - Hallmann, M: Feen
dazugekommen.«
»Glaub mir, Sir Alasdair MacGregor weiß es.« Olivers Stimme klang belustigt, aber Benny glaubte auch einen anderen Unterton darin zu hören, er wusste nur nicht, was es war. Spott? Widerwillen? »Erzähl einfach, was passiert ist. Falls sie dich überhaupt danach fragt. Erzähl es einfach so, wie es war.«
»Okay.«
»Die Rutherford ist nicht das Problem«, sagte Oliver da. »Sei einfach höflich und gib zu, dass du Scheiße gebaut hast. Sie entscheidet nicht darüber, ob du bleibst.«
»Sondern?«
»Die MacGregors natürlich. Alasdair, seit sein Vater nicht mehr da ist.«
»Alasdair? Aber der ist …«
»Nur ein Schüler?« Oliver lachte leise. »Ja, so ist es. Und er verwaltet die Angelegenheiten auf Glen. Nicht allein, sicher. Vielleicht hält er genau jetzt Rücksprache mit seinem Herrn Papa. Egal. Jedenfalls: Wenn die Rutherford dir morgen nicht sagt, du sollst deinen Koffer packen, dann ist es gutgegangen. Dann fliegst du nicht. Aber damit ist es nicht vorbei. Denn dann kommen die Paten.«
»Die Paten?«, fragte Benny verwirrt.
»Die Rutherford erledigt die Sache offiziell. Inoffiziell werden die Paten euch noch zur Seite nehmen. Bloomsfield dürfte jetzt dein Pate sein, richtig?«
»Elvis. Elvis Bloomsfield, ja, ich glaube schon.«
»Und Ned Finley ist Coopers Pate. Sie werden beraten. Sie werden einen Beschluss fassen, und wenn du keinen Ärger haben willst, wirst du dich an diesen Beschluss halten. Bei der Rutherford ist wichtig, dass du nickst und einsichtig bist und dein Verhalten bereust. Bei den Paten ist wichtig, dass du tust, was sie sagen.«
Im Dunkeln runzelte Benny die Stirn. »Klingt … komisch.«
»Ist hier aber so«, erwiderte Oliver ruhig.
»Und wenn ich nicht tu, was sie sagen?«
»Dann kommst du hier auf keinen grünen Zweig. Verdirb es dir nicht gleich am zweiten Tag mit deinem Paten. Wenn er nicht mit dir fertig wird, dann bleibt es an ihm hängen. Er gibt es dann weiter an seinen Paten. Dann kümmert der sich.«
»Und was machen die – schlagen die einen zusammen?« Er versuchte, es ganz trocken zu fragen, aber er hörte selbst, dass seine Stimme ein wenig belegt klang.
Kurz herrschte Stille.
»Natürlich nicht«, erwiderte Oliver zurückhaltend. »Es gibt nicht viel Gewalt auf Glen. Das war in deiner alten Schule vielleicht anders?«
Im Dunkeln zuckte Benny mit den Schultern. Nein, durch besondere Gefährlichkeit war seine Schule wirklich nicht aufgefallen. Zu den erschreckenden Statistiken, die nahelegten, dass sich eine kleinere Armee auf einer durchschnittlichen Schule kriegsfertig ausrüsten könnte, hatte sie jedenfalls nicht viel beigetragen – bei Licht betrachtet eine erschreckend nette und erschreckend langweilige Schule, auf der Bennys Wutanfälle noch für wirkliches Entsetzen sorgten statt für resigniertes Schulterzucken.
»Gewalt wird hier wirklich nicht gern gesehen. Auf Glen gibt es andere Methoden. Wird schon nicht so schlimm – tu einfach, was sie sagen. Bring es hinter dich und vergiss es.«
»Hm«, machte Benny. »Mal schauen.«
Wieder senkte sich Schweigen herab, es war wie eine dicke, flauschige, schwarze Decke und begrub ihn unter sich. Zutiefst erschöpft wollte er sich ihr gerade ergeben, da fuhr ihm plötzlich ein Gedanke durch den Kopf, so scharf und schneidend wie ein heißes Messer. »MacGregor!«, rief er aus.
»Bitte was?«, murmelte jemand, es klang nach Richard.
»Leslie MacGregor«, sagte Benny. Sein Herz schlug schnell.
Kurz sagte niemand etwas. Dann Olivers Stimme, träge und heiser vor Müdigkeit. »Ach, hast du sie getroffen? Leslie MacGregor, richtig. Alasdairs reizendes kleines Schwesterchen.«
In Bennys Brustkorb hämmerten die Schläge, als schmiede jemand seine Rippen in eine neue Form. »Ach so«, sagte er.
Obwohl er glaubte, jetzt hellwach zu sein, schlief er überraschend schnell ein. Ganz plötzlich riss es ihn in den Schlaf, als habe ihn etwas gepackt und unter Wasser gezogen. Ganz kurz vorher, schon mit einem Fuß im Reich der Träume, glaubte er unter dem Fenster ein seltsames Schnaufen zu hören, tief unten und weit entfernt, als schnüffle ein riesiger Fuchs oder irgendein anderes Vieh an dem blutigen Taschentuch, das Callahan aus dem Fenster geworfen hatte. Bevor er das jedoch gruselig finden konnte, war er eingeschlafen.
5 Henkersmahlzeit
5 HENKERSMAHLZEIT
D er nächste Morgen katapultierte ihn mit solcher Wucht aus dem Schlaf, als hätte ihn jemand aus dem fünften Stock geworfen.
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