Die Feenflöte
Die Wohlhabenderen unter ihnen waren auf eine gute Gelegenheit aus, würden die ersteigerten Gegenstände aber wenigstens zu schätzen wissen. Viele andere hingegen kamen, von denen sie sich nicht vorstellen konnte, sie würden genügend Geld haben, um bei der Auktion mitzubieten. Wahrscheinlich Leute aus der Umgebung, welche die Gelegenheit nutzten, mit ebenso neidischen wie schadenfrohen Blicken all die großen und kleinen Kostbarkeiten zu begaffen, die bald in alle Welt zerstreut sein würden. Nicht minder schlimm war die Kategorie wie der untersetzte Mann, der jetzt neben ihr durch die Räume ging. Diese Sorte hatte nur das Geschäft im Sinn, unterdrückte mehr oder weniger geschickt das gierige Aufblitzen in den Augen angesichts des einen oder anderen wertvollen Stückes, und war durchweg bemüht, den Wert der Objekte herunterzuspielen. Ob Möbel, Gemälde oder Skulpturen, alles wurde nur unter dem Gesichtspunkt des maximalen Profits beim Weiterverkauf taxiert. Bei manchen war dieses Verhalten so offensichtlich, so widerwärtig, daß Francoise sie am liebsten hinausgeworfen hätte. Nur wenige bemühten sich um ein höfliches und seriöses Auftreten. Dieser hier war eine Mischung aus beiden Extremen, was in ihr noch mehr Widerwillen und Ablehnung hervorrief.
Francoise fühlte sich wie eine Unschuldige, die man an den Pranger gestellt hatte. Unentwegt nagte die Frage in ihr, wie ihr Vater der Familie das alles hatte antun können. Schlimm genug, daß er sich im Alter nicht aus der Leitung der Firma hatte zurückziehen wollen und dort weiterhin wie ein Patriarch geherrscht hatte, bis das Unternehmen am Rande des Ruins stand. Aber das Doppelleben, das er jahrelang geführt und erfolgreich verheimlicht hatte! Bis hin zu der Tochter, die er mit seiner Geliebten hatte. Ihre Halbschwester, die sie noch nicht kennengelernt hatte, weil sie nur über ihren Anwalt mit der Familie korrespondierte, und die auf Grund jenes unseligen Testaments jetzt mit aller Macht ihre Ansprüche durchsetzte.
Der Mann sah sie fragend an, als warte er darauf, eine Antwort zu bekommen.
"Pardon?"
"Ich fragte, ob die antiquarischen Bücher aus dem Schrank im Arbeitszimmer ein einziger Posten bei der Auktion sein werden."
"Nein, Monsieur van Loenhout, diese alten Bücher werden einzeln angeboten."
"Dann würde ich sie mir gerne noch ein wenig genauer ansehen. Ach, sie werden mir sicher verzeihen, wenn ich sie das frage, aber sind die Gemälde auch wirklich alle echt? Wissen sie, ich habe da eine gewisse Verantwortung meinen Kunden gegenüber, und ich habe einen Ruf zu verlieren."
"Monsieur! Ich muß doch bitten!" antwortete Francoise gereizt. "Selbstverständlich sind die Werke echt. Wenn jemand daran zweifelt, braucht er sie ja nicht zu ersteigern."
Mühsam erwiderte sie den kalten Blick aus seinen grauen Augen.
Sein Mund verzog sich zu einem unechten Grinsen.
"Bon, dann weiß ich genug über die Gemälde und ihre übrigen Kunstgegenstände. Wenn sie mir noch einen Blick auf die Bücher erlauben..."
Während er nach und nach eine Anzahl der alten Bücher aus dem Schrank nahm und sie mehr oder weniger aufmerksam begutachtete, blieb sie auf Abstand. Schon seine Nähe war ihr unangenehm. Ihr fiel lediglich auf, wie er eines der Exemplare besonders erstaunt betrachtete. Mehrfach wendete er es hin und her und blätterte lange darin. Zuletzt zog er sogar eine kleine Taschenlupe aus der Manteltasche und untersuchte einige Seiten. Schließlich stellte er das Buch wieder zurück, schloß behutsam die Tür der Büchervitrine, drehte sich zu Francoise herum, und setzte mit einem mal ein überaus freundliches Gesicht auf.
"Wirklich, sehr schön, Madame Lanourdie, sehr schön," sagte er, und machte eine ausholende Geste mit seinem Arm.
"Wunderschöne Stücke, die sie versteigern möchten. Das Interesse wird sicherlich außerordentlich groß sein. Ich schätze mich glücklich, daß sie mir ihre Zeit gewidmet haben, um alles begutachten zu können. Wahrscheinlich kann ich im Auftrag des einen oder anderen meiner Kunden bei der Auktion einige Objekte ersteigern. Sie werden mit den erzielten Preisen sicher zufrieden sein. Es wird mir wirklich ein Vergnügen sein, so schöne Gegenstände in die Hände von wahren Kennern zu vermitteln, die diese zu schätzen wissen."
Francoise nickte nur kurz.
"Bon, dann werde ich mich wieder auf den Rückweg machen. Ich glaube, hier geht es nach draußen, oder?"
"Ich begleite sie zur Tür, Monsieur van
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