Die Feenflöte
Richtung, aus der die Zahl gerufen worden war. Der Mann war bislang niemandem als aktiver Bieter aufgefallen.
"8500 Euro, 8500 zum Ersten."
Selbst Monsieur Theberny machte eine überraschte kurze Pause und schaute in die Richtung des Bieters.
"8500 sind geboten. 8500 zum Zweiten. Bietet jemand mehr?"
Auffordernd sah er in die Richtung der Dame, die steif und mit empörtem Gesichtsausdruck da saß. Dieser Frau ging es nur ums Gewinnen, um den Besitz, erkannte er. Der andere Mann hingegen war wirklich interessiert, hatte eine klare Absicht, was immer sein Motiv sein mochte. Monsieur Theberny mochte solche Bieter. Neben dem rein geschäftlichen Aspekt verschaffte ihm ein Zuschlag daher immer wieder eine gewisse persönliche Genugtuung.
"8500 zum Dritten! Verkauft an den Herrn mit der Nummer 49."
Ein Gemurmel ging durch den Raum. Solche Ereignisse belebten jede Auktion und steigerten die Anspannung.
Seans Hände waren schweißnaß. Sorgenvoll schaute er Catherine an.
"Noch jemand, der genau weiß was er will, und wie er es bekommt." sagte er.
"Vielleicht ging es auch bei ihm ganz gezielt um dieses eine Buch." versuchte Catherine ihn zu beruhigen.
"Kommen wir nun zum letzten Angebot aus der Bibliothek." fuhr Monsieur Theberny fort, nachdem sich das Gemurmel ein wenig gelegt hatte.
"Das Werk ist im Katalog ohne Titel aufgeführt. Die Schrift konnte bisher nicht eindeutig entziffert werden. Unsere Gutachter sind der Ansicht, es sei zweifellos ein sehr altes Werk, ohne jedoch den Zeitpunkt seiner Entstehung präzisieren zu können. Ebenso unergründlich ist bislang der Inhalt des Werkes. Nur was die Echtheit angeht, sind die Gutachter sicher. Eine Rarität also. Sozusagen eine Rarität unter den Raritäten, etwas für echte Liebhaber. Das Mindestgebot ist mit Rücksicht auf die ungeklärte Thematik und Herkunft auf 1000 Euro gesetzt. Wir beginnen also mit 1000 Euro. Wer bietet 1000 Euro? – Vielen Dank, Monsieur, 1000 sind geboten. 1000 Euro zum Ersten. Bietet jemand 1100 Euro?"
Sean hob seine Hand ein wenig hoch, genug für das geschulte Auge von Monsieur Theberny. Jemand anders überbot ihn sofort. Catherine zog nach, wurde ebenfalls überboten.
Seans Herz klopfte heftig. Es wurde ernst. Am liebsten wäre er aufgestanden, hätte los geschrien, daß sie aufhören sollten, daß sie ihm das Buch überlassen sollten, weil es ungeheuer wichtig für ihn sei. Nicht einmal bei seinem ersten Auftritt in der Met war er so aufgeregt und übernervös gewesen.
Inzwischen waren sie bei 2200 Euro angelangt. Monsieur Nummer 24 und Madame Nummer 31 hatten noch nichts geboten. Hatten sie genug für heute? Nein, zu früh gefreut, er bot 2300, die sie sofort überbot.
Monsieur Thebernys Blick erhaschte eine Bewegung hinten im Saal.
"Waren das 2400? Monsieur mit der Nummer...? 107, danke Monsieur. 2400 zum Ersten."
107, van Loenhout! Sean fühlte einen Stich im Bauch. Er stieg überhaupt jetzt erst ein. Hatte Catherine Recht, und er wußte doch genaueres über das Buch? Unaufhaltsam schraubte sich der gebotene Preis nach oben. Monsieur und Madame hielten jetzt mit, lieferten sich einen Wettkampf mit van Loenhout.
Sean hielt sich jetzt zurück. Als Catherine bei 3300 bieten wollte, legte er seine Hand auf ihren Arm und verhinderte dies. Erstaunt sah sie ihn an.
"Warte!" flüsterte er ihr zu.
"3300 sind geboten. 3300 zum Zweiten. Bietet jemand mehr?"
Auffordernd sah Monsieur Theberny nach hinten zu van Loenhout. Der Händler hatte vorhin Gemälde für 8000 bis 12000 Euro das Stück ersteigert. Einen Augenblick fragte er sich, ob die Gutachter etwas übersehen hatten, wenn so jemand Interesse zeigte.
"3400, danke Monsieur. 3400 zum Ersten."
Mit grimmiger Miene hatte van Loenhout noch einmal die Hand gehoben. Nur seine Sitznachbarn konnten seinen geflüsterten Fluch hören.
"Verdammte neureiche Gierhälse!" zischte er böse. "Gebt's dran! Ihr macht mir auf einen Schlag ein gutes Geschäft zunichte!"
Doch die von ihm leise Beschimpften dachten nicht daran. Bei 3800 schüttelte er wütend den Kopf. Diese Flötenbauerin hatte seine Email nicht beantwortet. Ohne einen Auftrag hatte er keine Lust, noch viel mehr zu bieten. Er hatte nicht vor, die fetten Gewinne der geplanten Aktion durch diese alte Schwarte zu verringern. Am Ende ließ diese Miss Merlane ihn auf dem Ding sitzen, weil sie es überhaupt nicht wollte. Er bot 3900 und knirschte zornig mit den Zähnen, als die aufgetakelte Madame im letzten Augenblick 4000
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