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Die Feenflöte

Die Feenflöte

Titel: Die Feenflöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Rose
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auf.
    "Rein theoretisch sollten wir hier auf so etwas wie Noten, Tonleitern, Akkorde treffen. Und falls diese aus irgendwelchen Gründen als bekannt vorausgesetzt werden, so etwas wie Tonarten oder das Analogon zum Quintenzirkel."
    Sean lehnte sich trotz seiner Anspannung zurück und beobachtete den Professor. Dessen Blicke wanderten immer wieder hin und her. Abwechselnd sah er in das Buch, blickte eine Weile ins Leere oder schaute aus dem Fenster. Seine Mimik verriet angespanntes Nachdenken, fast konnte man hören, wie er versuchte, den abstrakten Abbildungen Klänge zuzuordnen. Hin und wieder begann seine Rechte mit Bewegungen, die ans Dirigieren erinnerten.
    "Er schafft es," dachte Sean. "Dieser freundliche, kluge Professor ist wirklich in der Lage, das Buch zu entschlüsseln. Hoffentlich kommt er dabei nicht am Ende meinem Geheimnis auf die Spur. Ist zwar unwahrscheinlich, aber man weiß ja nie..."
    Professor Bardoux hielt inne und schaute Sean an.
    "Mister Dennehy, ich glaube, ich habe eine Idee. Sie sind selbst ein brillianter Musiker. Sagen sie mir, wenn sie meinen, daß ich mich irre. Schauen sie sich das hier einmal an."
    Er dreht das Buch herum, sodaß sie beide es sehen konnten und begann mit seinen Erläuterungen. Sean war fasziniert und verblüfft zugleich. Als habe er seine Gedanken lesen können, warf der Professor schließlich ein
    "Machen sie sich keine Vorwürfe, weil sie nicht selbst darauf gekommen sind. Es hat ein halbes Leben als Musikwissenschaftler gebraucht, um dahin zu kommen. Und falls es sie beruhigt: nur bis hierher hinterlasse ich einen guten Eindruck. Das waren die Grundlagen, oder das, was ich dafür halte."
    Er blätterte um und verwies auf eine Abfolge von weiteren Symbolen.
    "Schon hier hört es auf. Wie sie jetzt selbst leicht erkennen können, sind zwar grundlegende Zeichen mit verwendet worden, und jedes für sich sagt uns jetzt etwas, doch was dieses neue Symbol ausdrückt, kann ich nicht sagen. Im Augenblick habe ich nicht einmal eine Ahnung."
    "Professor Bardoux, ich bin tief beeindruckt. Alle Achtung, das macht ihnen ganz gewiß niemand nach."
    "Nun übertreiben sie mal nicht. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Es ist spät geworden, und ich habe noch etwas zu erledigen. Ich würde mir gerne einige Symbole abschreiben und in den nächsten Tagen nochmals in Ruhe darüber nachdenken. Falls mir doch noch etwas Vernünftiges dazu einfällt, melde ich mich bei ihnen. Oder bei Madame Boulignac, falls sie nicht mehr in Paris sind."
    "Ich bin noch für 8 Tage in Paris, bis die Plattenaufnahmen abgeschlossen sind. Erst danach geht es weiter nach London. Madame Boulignac wird mich in jedem Fall erreichen können."
    "Großartig! Wir werden das Rätsel im Lauf der Zeit vielleicht lösen können. Und noch etwas. Wenn sie erlauben, würde ich gerne eine Kopie der ersten Seite machen. Ein Kollege von mir an der Sorbonne ist Fachmann für alte europäische Sprachen. Möglicherweise kennt er diese Sprache und kann uns mehr dazu sagen."
    Sean zögerte. Selbstverständlich brannte er darauf, den Text des Feenbuches lesen zu können. Doch was, wenn der Text Hinweise auf die Feen enthielt, wenn er einem ihm völlig unbekannten Menschen vielleicht etwas enthüllte, was besser verborgen blieb. Längst fühlte er sich als Hüter des Feenbuches, als dessen Wächter, fühlte sich dafür verantwortlich, daß den Feen nicht durch sein Zutun erneut ein Schaden entstehen würde. Schließlich stand er doppelt in der Schuld der Feen.
    "Selbstverständlich erhalten sie die Kopie zurück."
    Konnte dieser Mann Gedanken lesen? Nein, natürlich nicht, aber als feinfühliger Mensch nahm er Stimmungen wahr.
    "Lassen sie es uns versuchen," stimmte Sean zu. "Macht es ihnen auch nicht zu viel Mühe? Sie haben schließlich noch mehr zu tun."
    "Da machen sie sich mal keine Gedanken, Mister Dennehy. Es ist mir ein Vergnügen, ihnen und Madame Boulignac behilflich zu sein. Und nebenbei finde ich es ganz persönlich interessant, etwas Neues zu entdecken, auch wenn es nichts mit meiner sonstigen Arbeit am Konservatorium oder als Musikwissenschaftler zu tun hat."
    Freundlich verabschiedeten sie sich voneinander und versprachen, sich im Falle weiterer Entdeckungen anzurufen.
     
    Mit grimmigen Schritten ging Sean in seinem Hotelzimmer, das ihm die Plattenfirma für die Dauer der Aufnahmen in Studionähe bereitstellte, auf und ab. Als es klopfte, holte er tief Luft, bevor er die Zimmertür energisch öffnete. Er

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