Die Feinde des Geisterjaegers
vor und küsste sie auf die Wange. Sie wich zurück und sah mich mit Tränen in den Augen an. Der Abschied fiel uns beiden schwer. Dann wandte sie sich um und rannte von der Brücke. Gleich darauf war sie im Nebel verschwunden.
Ich ging traurig hinunter zum Leinpfad, wo Matthew auf mich wartete. Er deutete nur auf einen Holzsitz vorne im Boot. Ich setzte mich und sah mich um. Hinter mir befanden sich zwei große hölzerne Luken mit offenen Vorhängeschlössern. Dieser Lastkahn wurde offensichtlich zum Arbeiten benutzt und dort unten war irgendeine Ladung verstaut.
Kurz darauf ging es Richtung Norden. Ich sah mich immer wieder zur Brücke um und hoffte trotz allem, dass Alice noch einmal auftauchen würde, damit ich sie noch ein letztes Mal sehen konnte. Doch sie tat es nicht, und es schmerzte tief in meiner Brust, sie so zurückzulassen.
Gelegentlich begegneten wir einem Kahn, der in die andere Richtung unterwegs war. Mr Gilbert winkte dem anderen Fährmann jedes Mal fröhlich zu. Die Boote waren unterschiedlich groß, aber sie waren alle lang und hatten eine oder mehrer Luken. Einige von ihnen waren gut instand gehalten, frisch in bunten Farben gestrichen, während andere schwarz und schmutzig waren, und Kohlenstücke auf dem Deck ließen vermuten, was für eine Fracht sich in ihrem Inneren befand.
Gegen ein Uhr ließ Mr Gilbert die Pferde halten, befreite sie von ihrem Geschirr und band sie am Rand einer Wiese neben dem Kanal an. Während sie grasten, entfachte er schnell ein Feuer und begann, uns etwas zu essen zu machen. Ich bot ihm an zu helfen, doch er schüttelte nur den Kopf.
»Gäste arbeiten nicht«, erklärte er. »An deiner Stelle würde ich mich ausruhen, solange es noch geht. Bill Arkwright lässt seine Lehrlinge hart schuften. Versteh mich nicht falsch, er ist ein anständiger Mann, er leistet gute Arbeit und er hat viel für das Land getan. Und hartnäckig ist er auch. Wenn er seine Beute erst einmal wittert, gibt er nicht mehr auf.«
Er schälte ein paar Kartoffeln und Karotten und kochte sie in einem kleinen Topf über dem Feuer. Dann setzten wir uns ans Heck des Bootes, ließen die Füße übers Wasser baumeln und aßen mit den Fingern von zwei Holztellern. Das Essen hatte nicht lange genug gekocht und sowohl Kartoffeln als auch Karotten waren noch hart. Aber mein Hunger hätte gereicht, um die beiden Pferde zu verdrücken, also kaute ich einfach kräftig und schluckte. Wir aßen schweigend, doch nach einer Weile versuchte ich aus reiner Höflichkeit, den Fährmann in ein Gespräch zu verwickeln.
»Kennen Sie Mr Arkwright schon lange?«
»Über zehn Jahre«, erwiderte Mr Gilbert. »Bill wohnte bereits mit seinen Eltern in der Mühle, aber sie sind schon vor Jahren gestorben. Seit er der Spook in dieser Gegend geworden ist, ist er ein guter Kunde von mir. Jeden Monat bringe ich ihm eine große Lieferung Salz. Fünf große Fässer mache ich für ihn voll. Außerdem bringe ich ihm seine anderen Vorräte: Kerzen, Essen, alles, was man sich vorstellen kann. Vor allem Wein. Er nimmt gerne mal einen Schluck, der alte Bill. Und zwar nicht den gewöhnlichen Eschenbeeren- oder Löwenzahnwein. Er bevorzugt Rotwein. Der kommt mit dem Schiff nach Sunderland Point und von dort nach Kendal, wo ich ihn einmal im Monat an Bord nehme. Er bezahlt mich gut.«
Die Menge an Salz machte mich neugierig. Spooks benutzten Salz und Eisen, um die Innenseiten von Gruben auszuschlagen, in denen sie Boggarts bannten. Es nutzte auch als Waffe gegen Wesen der Dunkelheit. Wir brauchten allerdings nur relativ kleine Mengen und erstanden es in kleinen Säcken beim Händler im Dorf. Wozu brauchte er jeden Monat fünf Fässer?
»Haben Sie das auch jetzt geladen? Salz und Wein?«, fragte ich.
»Im Moment ist der Frachtraum leer«, antwortete er kopfschüttelnd. »Ich habe einem Baumeister in Caster eine Ladung Schiefer gebracht und bin auf dem Weg zum Steinbruch, um noch mehr zu holen. In diesem Job transportiert man alles Mögliche. Ich fahre alles außer Kohle – davon gibt es zu viel und sie ist so billig, dass es sich nicht einmal lohnt, aus Furcht vor Diebstahl die Luken abzuschließen. Außerdem setzt sich der schwarze Staub überall ab, deshalb überlasse ich das Zeug den Fuhrleuten, die sich darauf spezialisiert haben.«
»Mr Arkwrights Mühle liegt also direkt am Kanal?«
»Nah genug«, antwortete Mr Gilbert. »Vom Kahn aus kann man sie nicht sehen, sie liegt versteckt hinter Büschen und Bäumen, aber vom Ufer
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