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Die Feinde des Imperators

Die Feinde des Imperators

Titel: Die Feinde des Imperators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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suchten wir Callista auf. Echo führte uns in den Innenhof, wo
Callista gerade dabei war, mit der Unterstützung eines
Sekretärs einen riesigen Stapel Schriftrollen durchzuarbeiten.
Sie blickte zu uns auf und lächelte. »Ich bereue es,
nicht meine gesamte Bibliothek aus Alexandria mitgebracht zu haben.
Ständig sage ich mir, dass ich sie herbringen lassen sollte,
doch dann frage ich mich, warum ich mir die Mühe machen soll,
wenn ich doch sowieso bald wieder zurückkehre. Natürlich
verschiebe ich meine Rückkehr immer wieder. Inzwischen bin ich
seit fast zehn Jahren in Rom. Bitte nehmt
Platz.«         
    Wir folgten ihrer
Aufforderung, und ein Mädchen servierte uns Wein und ein paar
Kleinigkeiten zu essen. »Was hält dich denn hier,
Callista?«, fragte ich zwischen zwei Bissen. »Ich
persönlich hoffe natürlich, dass du nie wieder weggehst,
aber ich kenne Alexandria ja und weiß, dass es eine
wunderbare Stadt ist. Für eine Philosophin, die das Museion
gewohnt ist, muss Rom doch ein entsetzlich rückständiger
Ort sein.«
    Sie dachte eine Weile
nach. »Rom hat viele Gesichter. Ich habe nie zuvor und an
keinem anderen Ort der Welt so viel Pracht und Elend so nah
beieinander gesehen. Die Stadt ist ein extrem vulgäres
Sammelbecken für jede Art von Raffgier, und die
Volksbelustigungen, mit denen die Leute sich die Zeit vertreiben,
sind von ungeheuerlicher Trivialität. Die herrschenden Klassen sind nicht
nur blutrünstig und habgierig, sondern sie spielen ihre
Machtspiele meines Wissens auf einem Niveau und um einen Einsatz,
wie es die Welt noch nicht gesehen hat.«
    »Na ja«,
entgegnete ich ein wenig vor den Kopf gestoßen, »so
schlecht ist es hier aber auch nicht, oder?«
    Sie lächelte
breit. »Du verstehst mich nicht. Das genau ist es ja, was ich
an Rom so mag. Es ist der aufregendste Ort der Welt, an dem man
sich zurzeit aufhalten kann. In Rom passiert an einem einzigen Tag
mehr als in den meisten Städten in einem ganzen Jahrhundert.
Alexandria ist in vielerlei Hinsicht eine faszinierende, ja beinahe
magische Stadt. Aber die Atmosphäre dort ist zugleich auch
lähmend. Der König beziehungsweise die Königin wird
als Gott oder Göttin betrachtet, und alle erbieten ihm oder
ihr Ehre. Selbst die bedeutsamsten Menschen sind wenig mehr als
Sklaven. Das politische Leben besteht ausschließlich aus
Palastintrigen, und jeder noch so unbedeutende Adlige ist derart
von sich eingenommen, dass er meint, einen Thron zu
verdienen.«
    »Aber denk nur
an die Straßenschlachten«, erinnerte ich sie.
»Vergiss nicht, wie auf den Straßen Roms randaliert
wird.« Ich war selbst in einige dieser Schlachten verwickelt
gewesen. Und zweimal war ich die Ursache gewesen.
    »Ja. Es ist
bedauerlich, dass die Form, in der die Leute sich hier am
intensivsten am politischen Leben beteiligen, im Randalieren
besteht. Als Griechin betrübt mich das. Wir Griechen haben uns
immer lebhaft am politischen Leben unserer Städte beteiligt.
Nicht immer vernünftig, aber stets mit
Leidenschaft.«
    »Ich dachte,
Philosophen stünden über solchen Dingen«, sagte
ich. »Ich meine, wegen der sogenannten philosophischen
Entrücktheit und all diesem Zeug.«
    »Ich war nie
sonderlich entrückt«, entgegnete sie. »Und ich
halte es auch für einen Fehler, sich vom normalen Leben der
Allgemeinheit abzukoppeln. Es entweiht einen Philosophen nicht,
wenn er sich mit Leuten abgibt, die ihr ganz normales Leben in der
realen Welt leben müssen, auch wenn viel zu viele meiner
Kollegen dies behaupten.«
    »Da will ich dir
nicht widersprechen«, sagte ich. »Was ist das
eigentlich alles?« Ich deutete auf den Stapel Schriftrollen
auf dem Tisch. 
    »Ich versuche,
die Schrift zu identifizieren, die ich gestern Abend auf den
astrologischen Karten dieser Frau gesehen habe. Ich bin sicher,
dass ich diese Schrift schon mal irgendwo gesehen habe, aber ich
kann mich nicht mehr erinnern, wo. Das bedeutet, dass es
während meiner Kindheit gewesen sein muss. Die Schrift stammt
eindeutig aus dem Osten, doch von wo genau kann ich nicht sagen.
Deshalb wünschte ich, ich hätte meine komplette
Bibliothek hier in Rom. Vielleicht befindet sich in irgendeinem
meiner Bücher ein Muster dieser Schrift.«
    »Du konntest
also nicht herausfinden, woher die Frau stammt?«
    Sie schüttelte
den Kopf. »Eine Frau wie sie ist mir noch nie begegnet. Sie
ist ziemlich dunkel, wie Julia dir sicher erzählt hat, aber
sie sieht völlig anders aus als eine Nubierin oder

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