Die Feinde des Imperators
protestierte ich. »Hermes hat ihn entwischen
lassen.«
»Der Kerl ist
gerannt wie eine Gazelle«, verteidigte sich Hermes.
»Zunächst habe ich ihn fast eingeholt, aber er ist
über die Feldmauern hinweggesprungen, ohne sein Tempo auch nur
im Geringsten zu drosseln. Ich musste sie etwas langsamer nehmen.
Am Ende ist mir die Puste ausgegangen und ihm nicht.« Wir
waren zurück im Haus. Es war später
Nachmittag.
Julia ließ ihren
Blick zwischen uns beiden hin- und herwandern und sah uns an, als
wären wir zwei nicht besonders intelligente Kinder. »Und
das sagt euch nichts?«
»Kläre uns
auf«, entgegnete ich ärgerlich.
»Das bedeutet,
dass er wahrscheinlich ein bestens durchtrainierter Athlet ist.
Vielleicht ist er sogar ein Berufssportler. Und falls er das ist,
trainiert er vermutlich in einem Gymnasium. So viele Gymnasien gibt
es in Rom nicht. Ihr solltet sie alle überprüfen.
Irgendjemand kennt ihn womöglich.«
»Ich wollte
gerade den gleichen Vorschlag machen«, sagte ich. Sie
bedachte diese Bemerkung nur mit einem verächtlichen
Schnauben. »Also gut, was haben wir noch übersehen?
Verraten dir der Mord an Postumius und die Tatsache, dass er
gefoltert wurde, irgendetwas?«
Sie dachte eine Weile
darüber nach. »Dein Freund Felix hat recht. Was ihm
angetan wurde, ging viel zu weit, als dass es nur darum gegangen
sein kann, Informationen aus ihm herauszupressen. Was auch immer er
wusste, muss er bei der ersten Drohung preisgegeben haben. Er hatte
keinerlei Ehrgefühl oder Sinn für Loyalität
gegenüber irgendjemandem, und was hätte ihm schon jemand
noch Schlimmeres antun können als das, was ihm bevorstand?
Irgendjemand war sehr, sehr verärgert über
Postumius.«
»Du hast ein
Talent, zu untertreiben«, erklärte ich, »aber was
bringt uns diese Erkenntnis? Männer wie Postumius haben immer Feinde.
Die Leute verübeln es einem, wenn sie betrogen werden, und
manchmal übertreiben sie es mit ihrem Rachedurst und
können nicht mehr an sich halten. Die Behandlung, die
Postumius erlitten hat, ging weit über eine pure Bestrafung
hinaus, aber eine allzu große Empfindlichkeit in
Ehrenangelegenheiten kann bei einigen Leuten dazu führen, dass
sie jedes Augenmaß verlieren.«
»Das würde
nahelegen, dass Patrizier in die Sache verwickelt sind«,
sagte Julia. »Plebejer haben nur in den seltensten
Fällen ein derart ausgeprägtes
Ehrempfinden.«
»Womit wir
wieder bei Fulvia wären«, meldete sich Hermes zu Wort.
»Sie mag schamlos und anstößig sein, aber man kann
kaum ein ausgeprägteres patrizisches Gehabe an den Tag legen
als sie.«
»Das
stimmt«, pflichtete Julia ihm bei. »Und sie ist genau
die Art Mensch, die an so etwas Gefallen findet. Wahrscheinlich hat
sie höchstpersönlich eine glühende Zange
angesetzt.«
»Lass uns keine
ungerechtfertigten Mutmaßungen anstellen«, ermahnte ich
sie. »Dass du Fulvia nicht ausstehen kannst, ist noch lange
kein Grund, ihr zu unterstellen, dass sie in diesem Raum war und
gekonnt und mit Verve Folterinstrumente zum Einsatz gebracht
hat.«
»Du bist
hoffnungslos naiv. Diese Frau ist durch und durch
schlecht.«
»Na und? Ich
habe in dieser Stadt jede Menge durch und durch schlechte Frauen
kennengelernt.«
»Das kann man
wohl sagen«, entgegnete sie unheilverheißend. Es war
ein Fehler, dies gesagt zu haben. Sie erhob sich. »Ich gehe
jetzt zum Vesta-Tempel, um an der Abendzeremonie teilzunehmen.
Danach treffe ich mich mit Servilia und einigen anderen Damen zum
Abendessen. Mal sehen, ob ich Servilia irgendwelche
nützlichen Informationen entlocken kann.«
»Sehr
schön«, sagte ich, erfreut über den Themenwechsel.
»Falls dir Brutus bei ihr über den Weg laufen sollte,
versuch mal, ihn über diesen Unsinn von der Seelenwanderung
auszuhorchen. Irgendetwas von dem, was er gesagt hat, ergibt keinen
Sinn.«
»Ich werde mich
bemühen. Es war ein langer Tag für euch beide. Nicht dass
ihr noch mal zum Zechen rausgeht! Geht lieber früh schlafen,
und nehmt euch gleich morgen früh die Gymnasien vor.«
Mit diesen Worten ging sie hinaus, gefolgt von zweien ihrer
Dienstmädchen.
»Wenn ich mich
entscheiden müsste, wer mir mehr Angst macht«, sagte
ich, »Julia oder ihr Onkel, und wenn man dann auch noch
diesen mysteriösen Mörder dazunimmt und die
Verschwörung, die ihn zu umgeben scheint - ich wüsste
wirklich nicht, auf wen meine Wahl fallen
würde.«
Am nächsten
Morgen zogen wir los, um unsere Runde durch die Gymnasien zu
machen. Wie Julia gesagt hatte, gab
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