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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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habe ich ihr letztlich mehr Leid zugefügt, weil ich nicht den Mumm hatte, das zu tun, worum sie mich gebeten hatte.
     Aber ich konnte es einfach nicht. Weder das eine, noch das andere.«
    April wusste nicht, wovon er redete, beschloss aber, lieber still zu sein. Sonst würden sich vielleicht noch andere Leute
     einmischen.
    »O ja, manch einer glaubte genau zu wissen, was passiert war. Manch einer besaß sogar die … die …
Dreistigkeit,
mich zu beschuldigen. Mitten ins Gesicht hat er es mir gesagt! Einfach unfassbar. Ich konnte nicht mal antworten, so unfassbar
     war es. Wie einer und dann auch noch ausgerechnet … glauben konnte, ich sei fähig … wie er überhaupt auf den Gedanken kommen
     konnte …«
    April hatte ihn noch nie so wütend gesehen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder ruhig atmete. Als er dann weitersprach,
     war seine Stimme schwach. Er wirkte erschöpft.
    »Ich wollte sie nur daran erinnern, was für einen Spaß wir früher alle miteinander hatten. Unsere Ferien zum Beispiel. Ich
     wollte sie an ein paar Sachen erinnern. Dass ich nicht so einer war, der das hätte tun können, was sie von mir glaubten.«
    »Was haben sie denn geglaubt, Grandpa?«
    Seine Augen wurden feucht. »Ich wollte nur die Gelegenheithaben, ihnen zu sagen … allen dreien auf einen Schlag … Auge in Auge … Vorher … konnte ich es nicht.«
    »Was ist denn wirklich passiert, Grandpa? Wovon redest du?«
    Wieder dauerte es lange, bis er antwortete.
    »Das sollen die dir erzählen.«
    Sie setzten sich hin. April sah hinüber auf die Wanduhr. Halb zehn. Der Zug nach San Francisco – besser gesagt, in dieses
     bescheuerte Emeryville – sollte um 11:54 Uhr abfahren.
    Als sie das nächste Mal hinsah, war es viertel nach zehn.
    Ihr Großvater fing an zu lachen.
    »Was ist denn so lustig?«
    Er deutete auf etwas draußen vor dem Fenster.
    »Die Bananenbäume da drüben.«
    April schaute in die Richtung, in die er zeigte. Nur ein paar Münztelefone und eine Straßenlaterne.
    »Grandpa, das sind keine …«
    »Klettere doch mal rauf und hol mir eine. Gegen eine Banane hätte ich jetzt nichts.«
    Dann redete er noch ein Weilchen über Bananen. April kam es vor, als würde dem Warteraum langsam der Sauerstoff entzogen.
     Am liebsten wäre sie hinüber zu der Frau gelaufen und hätte sich neben die kleinen Monster gekuschelt.
    Endlich schwieg ihr Großvater. Er schloss die Augen.
    April stand auf und entfernte sich so weit von ihm, wie es möglich war, ohne das Bahnhofsgebäude zu verlassen und ihn aus
     dem Blick zu verlieren.
    Ihre Entscheidung stand fest.
    Sie holte ihr Mobiltelefon hervor und wählte.

31
    Nick Warrington saß im Halbdunkel, vor ihm flimmerte der Fernsehbildschirm. Um jegliche Gedanken an all die diversen Leute
     zu verscheuchen, die schon vor ihm in den unterschiedlichsten Stadien körperlicher Verhüllung in eben diesem Sessel gesessen
     und sich den verschiedensten einsamen oder zweisamen Betätigungen hingegeben hatten, dachte er über seine Fehler nach.
    Zum Beispiel, dass er vor Marcy mit einer Kreditkarte herumgewedelt und ihr weisgemacht hatte, er verfüge über ein Spesenkonto.
     Oder dass er so getan hatte, als hätte das Fiasko mit Peggy Gallagher ihn nicht verletzt, obwohl es das sehr wohl hatte. Dass
     er so getan hatte, als hätte sie ihn nicht wie den Deppen dastehen lassen, der er war. Dass er so tat, als sähe nicht praktisch
     jede Frau, die er traf, in ihm nur einen verschrobenen Langweiler.
    Dass er so tat, als würde er wirklich glauben, sie drei seien – besonders, wenn Mike mit von der Partie war – in der Lage,
     die Geschichte mit ihrem Vater und April zu regeln.
    Er würde es Marcy sagen müssen, wenn sie wieder da war. Es war Zeit zu gehen. Zeit, dass die Polizei die Sache in die Hand
     nahm. Zeit, dass sie nach Hause fuhren und abwarteten.
    Es war nicht so, dass er dringend wieder ins Büro gemusst hätte. Sein Büro bestand ja in Wahrheit aus seinem Esstisch. Es
     gab keine Mitarbeiter, die ohne seine Führung nur Mist bauenwürden. Mitarbeiter hatte er in seinem Job sowieso keine. Ohio war auch nicht New York. Woodlake war nicht New York City.
     Selbst wenn er ein Büro gehabt hätte, dann hätte es nicht an der Fifth Avenue oder einer Straße in SoHo oder Greenwich Village
     gelegen, sondern an einer Bushaltestelle.
    Und Peggy war nicht wie Marilyn.
    Keine Frau war wie Marilyn. Es gab keine anderen Marilyns.
    Selbst sein älterer Bruder, der Teufelskerl, die

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