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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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oder sich vor den Karren irgendeines
     verlogenen Politikers spannen lassen oder herauszufinden versuchen, wie Schwarze und Weiße, Araber und Juden – oder von ihr
     aus auch Männlein und Weiblein – besser miteinander auskamen. Nein, sie würde der Welt einen Gefallen tun und sich nur um
     ihren eigenen Scheiß kümmern.
    Ungefähr so wie der Typ am Fahrkartenschalter. Der sagte nichts und fragte auch nichts, als April mit ihrem Großvater zurückkehrte.
     Gar kein übler Job, wenn man mal drüber nachdachte. Die Leute wollten eine Fahrkarte, du gabst ihnen dieFahrkarte, fertig. Keine Fragen. Entweder war der Zug voll oder nicht. Musste man gar nicht lange drüber nachdenken. Und keine
     Entscheidungen fällen.
    Wo wollen Sie hin? Macht fünfzig Dollar. Schönen Tag noch.
    April fand jetzt, dass sie dem Mann gegenüber zu gemein gewesen war. Zu besserwisserisch. Der hatte doch nur seinen Job gemacht.
     Nur das mit dem »Früchtchen« hätte er sich sparen können, dachte sie.
    Obwohl – war das nicht eigentlich die Wahrheit?
    Ja, ich bin wirklich ein Früchtchen, dachte April, während sie neben ihrem nahezu komatösen Großvater dahockte. Ein unreifes,
     ahnungsloses Früchtchen. Ein Hirni. Eine Idiotin. Was denn sonst, wenn ich blöd genug war, mit jemandem durchs ganze Land
     zu fahren, von dem ich wusste, dass er nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte? Und Sängerin in einer Band? Dass ich nicht
     lache! Meine Stimme gehört eigentlich ganz oben auf meine ZK-Liste.
    Die Augen ihres Großvaters waren geöffnet, aber leer. April wollte schon mit der Hand davor auf und ab wedeln, um zu sehen,
     ob er blinzeln würde. Doch dann befürchtete sie, die Aufmerksamkeit dieser Mutter auf sich zu ziehen. Der Atem ihres Großvaters
     ging schwer. Die Wunde auf seiner Stirn sah aus wie rotbrauner Schorf. Außerdem musste er sich bald mal die Zähne putzen.
    April holte die Fahrkarten aus der Tasche.
California Zephyr
. »Rühr dich nicht von der Stelle, Grandpa«, sagte sie. »Okay?«
    Die Bitte war überflüssig. Ihr Großvater gab keinerlei Anzeichen von sich, dass er sie überhaupt gehört hatte.
    Der Schalterbeamte las in der Zeitung. April fragte sich, ob es schon eine neue war oder ob er bis zum Ende seiner Schicht
     immer wieder dieselben Nachrichten las.
    »Ich muss die Fahrkarten umtauschen«, sagte sie und fügte dann hinzu: »Bitte.«
    Der Mann ließ die Zeitung sinken und sah sie an, als hätte er sie gerade erst bemerkt. Dann faltete er das Blatt geräuschvoll
     zusammen, das Rascheln erinnerte April an das Knirschen von Stiefeln im Schnee auf dem Weg nach Hause. »Sieh einer an, unser
     junger Fahrgast ist wieder da. Wie schön, dich wiederzusehen. Und du sagst, du musst die Fahrkarten da umtauschen?«
    »Ja. Dafür brauche ich jetzt Karten nach Ohio.«
    »Ohio?«
    »Ohio.«
    »Donnerlittchen. Jetzt musst du also nicht mehr ganz unbedingt nach Kalifornien – nach
Emeryville
–, jetzt musst du ganz unbedingt nach Ohio.« Er blies die Backen auf. »Das nenne ich mal eine Kehrtwendung.«
    »Können Sie bitte einfach nur die Fahrkarten umtauschen?«
    »Nein. Ich kann nicht einfach nur die Fahrkarten umtauschen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es von hier aus nach Ohio teurer ist als nach Kalifornien. Du weißt doch, wo Ohio liegt, oder?«
    April zwang sich, daran zu denken, dass der Mann nur seinen Job machte.
    »Ich bin da aufgewachsen.«
    »Du bist da aufgewachsen? Aha … dann bist du jetzt also erwachsen, meinst du das damit?«
    Noch ein Wort, dachte April. Noch ein Wort, dann packe ich diesen Knilch am Kragen, zerre ihn da raus und haue ihm eins auf
     die Fresse.
    April schob dem Schalterbeamten ihre Fahrkarten und die Kreditkarte ihres Großvaters zu. »Können Sie die bitte gegenKarten nach Cleveland umtauschen? Den Restbetrag können Sie von der Karte abbuchen.«
    Der Schalterbeamte würdigte sie keines Blickes.
    »Bitte«, sagte April.
    Er zog die Karte durch das Lesegerät. Er wartete. Es zog sie noch einmal durch. Dann las er mit zusammengekniffenen Augen
     das Display und knurrte.
    »Die nimmt er nicht«, sagte er.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Hier steht: Karte nicht akzeptiert.«
    »Warum?«
    »Ich tippe mal, dass ihr über dem Überziehungskredit seid. Eine Menge Leute glauben, sie könnten immer nur abheben und abheben,
     bis es dann passiert.«
    April spürte, wie ihr ein Schweißtropfen die rechte Wange hinunterlief. Sie hatte sich nie die Mühe gemacht, ihren Großvater
     nach dem

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