Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
Vom Netzwerk:
von bitte und danke, wenn sie ihm etwas zu essen
     gab, kaum noch ein Wort. Er kommentierte nicht einmal mehr die ganzen Hinweisschilder nach Chicago in der Union Station. April
     hatte sich schon mehrere Erklärungen parat gelegt.Da mussten die Leute einsteigen, die
nach
Chicago wollten. Das waren nur Werbeplakate für die
Windy City
.
    Aber letztendlich hatte sie überhaupt nicht lügen müssen. Er war ihr aus dem Bahnhof hinterher getrottet und hinunter an den
     Lake Shore Drive, dann über den Strand und bis zu dieser Bank vor dem Drake Hotel. Ihr kam es vor, als wären sie eine Ewigkeit
     marschiert. Aber sie hatten es geschafft. Sie waren da. Jetzt musste sie sich nur noch um eine Kleinigkeit kümmern, und dann
     war alles vorbei.
    Sie sah auf die Uhr. Es war soweit.
    April stand auf und sah zu ihren Großvater hinunter. Auf der Bank sah er ganz klein aus mit seinen hängenden Schultern, während
     die Sonne auf seinen Kopf niederbrannte, als wolle sie ihn an Ort und Stelle schmelzen wie ein liegengelassenes Hörnchen Eis.
     April zog die Baseballkappe ab, die sie im Speisewagen des Zuges »gefunden« hatte, und setzte sie ihm zum Schutz auf den Kopf.
    »Grandpa?«, sagte sie.
    »Das war’s also, was?«
    April blieb fast das Herz stehen. Hatte er etwas gemerkt? Aber wie war er drauf gekommen?
    »Was denn?«, fragte sie.
    Ihr Großvater deutete mit dem Kinn in Richtung Wasser. »Der pazifische Ozean«, sagte er.
    April nickte, vor Erleichterung schlug ihr das Herz bis zum Halse.
    »Genau. Der Pazifik.«
    Sie sah sich um, um sicherzugehen, dass sie nicht zu spät dran war. Sie musste dringend weg.
    »Erinnerst du dich noch an unsere Abmachung?«, fragte ihr Großvater.
    »Was für eine Abmachung?«
    »Bei mir zu Hause in Woodlake. Dass wir immer ehrlich zueinander sein würden.«
    Jetzt drohte Aprils Herz ihr aus der Kehle zu springen.
    »Aber ich bin doch ehrlich zu dir, Grandpa.«
    »Ach ja?« Ihr Großvater musterte sie. »Bist du sicher? Na, dann will ich dir mal was verraten, du Schlaumeier. Das ist gar
     nicht der Pazifik.«
    Na toll! Musste er auch ausgerechnete jetzt einen klaren Moment haben? April überlegte krampfhaft, was sie darauf antworten
     konnte.
Weißt du, Grandpa, sie haben den Sears Tower inzwischen versetzt. Hast du das gar nicht mitgekriegt?
    »Grandpa …«
    »Das da«, rief ihr Großvater und deutete vor sich, »das ist die Puget-Bucht.« Er fing an zu lachen.
    Ein paar Leute, die nicht weit weg ein Sonnenbad nahmen, schauten herüber. April wusste nicht, ob sie vor lauter Erleichterung
     lachen oder weinen sollte.
    Sie sah auf ihre Uhr. Dann kniete sie sich vor ihren Großvater hin. »Grandpa, ich muss mal. Du bleibst hier, in Ordnung?«
    »Die meisten wissen gar nicht, dass es eine Bucht ist. Aber mit dem Pazifik ist an der Soundso-Brücke Schluss. Golden Gate.
     Habe ich eben Puget gesagt? Ich meinte … ist ja auch egal.«
    April wartete. Aber die Augen ihres Großvaters wurden schon wieder glasig.
    »Grandpa, du musst hier sitzen bleiben, in Ordnung? Beweg dich nicht von der Stelle. Ich bleibe nicht lange weg.« Ihr versagte
     die Stimme, als ihr klar wurde, dass, wenn sie ihn in ein paar Minuten wiedersah, alles anders sein würde.
    »Wir hatten doch einen Haufen Spaß, oder, Grandpa? Auf der ganzen langen Fahrt, meine ich. Ganz schön cool, oder?«
    Ihr Großvater antwortete nicht.
    »Grandpa?«
    »Ich hätte ihm in die Eier treten sollen«, sagte er. »Dann wäre die Sache erledigt gewesen.«
    April starrte ihn einen Moment lang an. Da wurde ihr klar, dass dies einer der wenigen Momente war, wo sie ihm tatsächlich
     direkt in die Augen gesehen hatte, tief in die Pupillen. Aber sie merkte, dass er sie gar nicht wahrnahm. Sie lächelte und
     küsste ihn auf die Wange. »Bin gleich wieder da.«
    »Mitten in die Klöten«, antwortete er.
    April lief zu einem Kiosk an der Promenade, wo man Inline-Skates und Fahrräder leihen konnte. Genau wie ihr Onkel Mike versprochen
     hatte, konnte sie ihren Großvater noch im Auge behalten und würde gleichzeitig beobachten können, wie die drei näher kamen,
     aus der anderen Richtung, wie Onkel Mike angekündigt hatte. Sie hatte darauf bestanden, weiter Sichtkontakt zu ihrem Großvater
     zu haben. Und sie hatte Onkel Mike gedroht, dass sie abhauen würde, wenn sie nicht alle drei kamen.
    »Wo ihm das doch so am Herzen liegt«, hatte sie hinzugefügt und im selben Moment begriffen, dass ihr Großvater das inzwischen
     vielleicht gar nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher