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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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schwächer wurde, obwohl sie
     doch eigentlich lauter schreien wollte. »Lass mich mit meiner Tochter sprechen!«
    Inzwischen weinte sie und rief nur noch nach ihrem kleinen Mädchen. Nick versuchte, sie von der Tür wegzuziehen und zu beruhigen,
     aber da machte Mike auch schon auf.
    »Was soll das, verdammt?«, schrie Marcy. »Ich versuche, meine Tochter wiederzubekommen, und du kaufst denen auch noch … was?
     … vielleicht Tickets nach Cancún?«
    Mike fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Nick fand, dass er müde aussah, verkatert und zum allerersten Mal – alt.
    »Was hat du jetzt schon wieder angerichtet?«, fragte Marcy. »Wo ist sie?«
    »Kann ich dir nicht sagen«, wehrte er ab. »Habe ich versprochen.«
    »Was?« Marcy suchte sich schon eine Stelle auf seiner Brust. Sie ballte die Faust.
    »Hör mir zu, Marcy. Ich habe eine Abmachung getroffen.«
    »Du hast eine Abmachung getroffen?« Marcy lachte schrill auf. »Ja, du und deine kleinen Abmachungen. Wie sieht es denn mit
     der verdammten Abmachung aus, die du mal mit deinen eigenen Kindern getroffen hast. Vielleicht solltest du dir lieber ein
     paar Gedanken machen, wie du die eingehalten hast.«
    Mike sah zu Boden und behielt den Blick auch nach unten gerichtet, als er antwortete: »Du kannst denken, was du willst. Aberwenn du April in etwa achtundvierzig Stunden wiedersehen willst, dann stell mir keine Fragen mehr.« Erst jetzt sah er zu Marcy
     hoch. Nick fand, dass seine Augen überraschend klar waren. »Und lass gefälligst meine Kinder aus dem Spiel«, sagte er.
    Er machte einen Schritt zurück ins Schlafzimmer und schloss die Tür ab. Marcy drehte sich um und sah Nick an.
    Nick versuchte, sich nicht überflüssig vorzukommen.

32
    April wünschte sich beinahe, sie wären wieder im Zug, trotz des muffigen Gestanks und der defekten Klimaanlage. Wenigstens
     waren sie dort im Schatten gewesen. Hier draußen brannte die Sonne auf sie herab, als sei sie wirklich stinksauer, dass sie
     beide sich in voller Montur an den Strand gewagt hatten, sogar mit Schuhen. Ihr Großvater schwitzte wie ein Stier. April machte
     sich schon Sorgen, dass er am Ende noch vor lauter Erschöpfung oder mit einem Herzinfarkt aus den Latschen kippte. Sie zog
     sich das klebrige Hemd vom Körper weg und versuchte, sich damit Luft zuzufächeln. Vergebliche Liebesmüh. Immerhin war sie
     jetzt froh, dass sie den Rat von Onkel Mike beherzigt hatte, ihr Gepäck in einem Schließfach am Bahnhof zu – wie er sich ausdrückte
     – »deponieren«, auch wenn sie fast eine Stunde gebraucht hatte, um die acht Vierteldollarmünzen zu ergattern.
Neue Listenidee
: »Sachen, die ich als Erwachsene anders machen werde als Erwachsene normalerweise.« Zum Beispiel, Bettlern Geld geben. Nicht
     alle von denen waren Trunkenbolde oder Drogensüchtige oder einfach nur faul. Manche versuchten genau wie jeder andere einfach
     nur, irgendwie über die Runden zu kommen.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte ihr Großvater und blieb stehen, um eine ekelhafte Rotzfahne aus der Tasche zu ziehen und sich
     die Stirn abzuwischen. »Du hast doch gesagt, du wolltest nur das Wasser sehen. Also bitte, da ist es, Herrgott noch mal.«
    Ja, da war es tatsächlich. April war froh, dass sie sich wiederan den Strand erinnert hatte, an diese riesige Wasserfläche und daran, dass Naperville eine der Haltestellen des
California Zephyr
war. In dem Moment war ihr der perfekte Plan eingefallen, so als hätte sie ihn schon die ganze Zeit im Kopf gehabt.
    »Da vorne ist es schon«, sagte sie zu ihrem Großvater und warf dabei einen Blick nach rechts, wo die Wolkenkratzer bis fast
     an die Wasserlinie reichten. Sie war erleichtert, als sie das riesige Schild des Drake Hotels entdeckte. Ihr Plan war, sich
     ein Plätzchen direkt davor zu suchen. Am Ende des Sandstrandes sah sie eine Bank. Sie überlegte, ob ihr Onkel Mike diese Bank
     wohl kannte. Egal. Hauptsache, da gab es eine Bank, das war schon mal gut. Schlecht war, dass sie von zwei jungen Kerlen besetzt
     war, die sich breitbeinig darauf herumlümmelten, damit auch ja kein anderer mehr daneben passte. April schätzte die beiden
     auf achtzehn oder neunzehn. Sie trugen Straßenkleidung, allerdings ohne Hemden, vermutlich, um ihre ekelhaften Tattoos und
     schwabbeligen Wänste zu präsentieren auf die hauchdünne Chance hin, damit einen der vorbeiwippenden Bikinis auf sich aufmerksam
     zu machen. Einer der beiden war glatzköpfig, der andere trug die Haare ganz kurzgeschoren

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