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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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Sie hätte sich mit ihren Ärmchen ganz fest um seinen Hals geklammert,
     während ihr kleiner nasser Körper zitterte wie Espenlaub.
    Er hatte gar nicht mitbekommen, wie schnell die Kinder groß geworden waren. Auf der Rückbank war kaum noch Platz, wenn die
     Jungs neben ihm saßen. Nick in der Mitte und Mike am Fenster. Um den Platz hatten sie sich vermutlich wieder gerangelt.
Ich am Fenster, als Erster gesagt
, rief Nick immer, aber Mike juckte das gar nicht. Er setzte sich, wohin es ihm passte. Dann beschwerte sich Nick bei seiner
     Mutter, aber Bill erklärte den beiden, das müssten sie unter sich ausmachen, und das bedeutete, dass Mike den Fensterplatz
     kriegte. Wer die Macht hatte, hattezu sagen. Altes Landrecht. Früher oder später würde Nick das begreifen müssen.
    Clare saß im Fahrersitz und schrie Marcy an. Irgendetwas musste sie haben. Für Clare war es höchst ungewöhnlich, dass sie
     einmal schrie. Er würde sich jedoch heraushalten, wie immer. Mutter-Tochter-Verhältnisse waren das reinste Minenfeld. Bei
     den Jungs reichte manchmal schon ein Klaps auf den Hinterkopf. Viel, viel einfacher.
    Aber Clare gab Marcy gerade richtig Zunder, und obwohl Bill versuchte, sich auf andere Dinge zu konzentrieren, konnte er doch
     nicht umhin, einiges mitzubekommen.
Was hast du dir überhaupt dabei gedacht? Weißt du, was für Sorgen ich mir um dich gemacht habe? Wir alle?
Marcy war wohl zu weit ins Wasser gegangen. Kein Wunder, dass Clare so wütend war.
    Clare wollte sich allerdings gar nicht beruhigen. Und Marcy blieb ungewöhnlicher Weise ganz still. Nur hier und da machte
     sie den Mund auf.
Ich war nie in wirklicher Gefahr. Ich brauchte doch das Geld, um Grandpa nach Hause zu bringen.
    Grandpa?
    Der nächste Herzschlag pumpte so viel Blut in seine Augenlider, dass er sie aufmachte. Er sah das Profil eines jungen Mädchens.
     Aprils Profil.
    April.
    Seltsam, wie in einem Moment noch gar nichts da war, und im nächsten war da etwas. Vor einem Moment war es noch so gewesen,
     als sei April gar nicht da und sei auch nie dagewesen, als existiere sie überhaupt nicht. Und urplötzlich war sie da. Sie
war
. Und im selben Moment war Clare verschwunden, es war nur ein Traum gewesen, so flüchtig und doch so real, dass er am liebsten
     wieder eingeschlafen und nie mehr aufgewacht wäre.
    Aber er konnte die Augen nicht zumachen. Streng genommenkonnte er sogar kaum noch atmen. Immer noch pulsierte das Blut in seinen Ohren und ertränkte einige Augenblicke lang jedes
     andere Geräusch. Seine Kinder waren erwachsen. Das da vorne war April. Seine Enkeltochter. Er hatte eine Reihe Bilder von
     ihr im Kopf, wie eine Collage, alle auf einmal. Wie sie sang. Wie sie stänkerte. Wie sie ihm – aber erst, als er darauf bestand
     – etwas von dem vorlas, was sie aufgeschrieben hatte. Etwas über Haare in den Ohren. Bill schloss die Augen. Er erinnerte
     sich wieder, wie sie versucht hatte, ihm weiszumachen, dass man manchmal nach Norden musste, um nach Westen zu kommen, oder
     irgend so einen Quatsch. April April April. Wie er diesen Namen liebte. Er lachte.
    Findest du das etwa lustig, alter Knabe? Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was du angerichtet hast?
    Lass ihn doch in Ruhe, Mom. Siehst du es denn nicht? Merkst du gar nichts?
    Ach, du bist wohl inzwischen so eine Art Expertin. Du hast ja keine Ahnung, wozu dein Großvater alles fähig ist.
    He, Marcy, würde es dir etwas ausmachen, die Augen auf der Straße zu halten. Vielleicht sollte ich lieber fahren.
    Wenn ich nicht fahre, kann es glatt passieren, dass ich sie alle beide erwürge. Vielleicht könntet ihr beide ja mal was unternehmen,
     anstatt nur da hinten zu hocken wie zwei Ölgötzen.
    Nein, das war ganz bestimmt nicht Clare. Trotzdem war es Musik in seinen Ohren. Bill versuchte zu verstehen, wie es möglich
     war, dass er die Stimmen seiner eigenen Kinder vergessen hatte, das Hin und Her, die plötzlichen Wutausbrüche … oder Lachanfälle.
     Wie hatte ihm das entgehen können? Dabei waren sie doch hier bei ihm. Seine Kinder.
Sie
wussten natürlich überhaupt nicht zu würdigen, was sich hier gerade abspielte. Aber irgendwann würden sie es zu würdigen wissen:
     dass sie zusammengepferchtin einem engen Auto saßen, sich gegenseitig Sachen an den Kopf warfen und wissen wollten, wie weit es noch war, bis sie endlich
     ankamen … wo überhaupt? Egal. In einer Sekunde würde es ihm wieder einfallen. Aber wo zum Teufel steckten sie denn schon

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