Die fernen Tage der Liebe
und hatte sich über der rechten
Schläfe eine Art Blitz ausrasieren lassen. Ein Stück weiter sah April noch eine Bank, aber die war schon jenseits des Drake,
und außerdem befürchtete April, dass ihr Großvater es bin dorthin nicht mehr schaffte.
»Entschuldigt bitte«, sagte April, als sie die Bank erreicht hatten. »Könntet ihr vielleicht ein bisschen Platz für meinen
Großvater machen?«
Unverhohlen taxierten die beiden Kerle April. Unwillkürlich musste sie daran denken, was für ein Bild sie abgab. Seit Tagen
hatte sie sich nicht mehr die Haare gekämmt, ihre Kleider waren voller Flecken, nachdem ihr Großvater sie irgendwo in Omahamit Kaffee und Tomatensuppe bekleckert hatte, und ihre Unterwäsche war so verschwitzt und verdreckt, dass man sie vermutlich
nur noch mit OP-Handschuhen entfernen konnte.
»Bei dem alten Knacker weiß ich nicht so recht«, sagte der mit der Glatze, »aber für dich hätten wir schon noch’n Plätzchen
frei.« Lachend spreizten sie ihre Beine noch weiter und klatschten sich die Flossen ab. April verdrehte die Augen. Sie registrierte,
wie ihr Großvater näher herankam, und wartete schon darauf, dass er explodierte, aber er stand einfach nur da und wischte
sich über die Stirn. April merkte, wie ihr langsam aber sicher der Kamm schwoll. Was das eigentlich immer so, wenn man Männern
über den Weg lief? Erst taxieren, dann anmachen und dann herunterputzen? April sah sich um. Es war helllichter Tag. Der Strand
war voller Leute. Was konnten sie ihr schon antun?
»Ich wette, ihr würdet auch auf eine halbe Bank passen, wenn ihr auf den Platz verzichten würdet, den ihr zum Angeben mit
euren Schwengeln beansprucht, obwohl die gar nicht so viel Platz brauchen.«
Die beiden brauchten einen Moment, bis der Satz zu ihrem Oberstübchen durchgedrungen war. Als sie ihn endlich gerafft hatten,
fingen sie an zu lachen und schlugen sich auf die Schenkel, als hätten sie ihn sich selbst ausgedacht.
»Du bist ja’n ganz schön kesses Luder, was?«, sagte der Glatzkopf und versuchte sich in Ghetto-Slang, so wie manche Jungs
auf Aprils Highschool, wenn sie cool daherkommen wollten, aber eigentlich nur noch nerviger waren als sonst. April wusste,
dass der Typ nicht wirklich sauer war. Prompt standen er und sein
blitz
gescheiter Freund auf und boten April und ihrem Großvater mit übertriebenen Gesten ihre Plätze an. Dann wollten sie, dass
April sie abklatschte. Zum Glück versuchten sie das nicht auch noch bei Aprils Großvater. Danach trollten sie sich.
April vergewisserte sich noch einmal, dass sie auch wirklich vor dem Drake waren, als sie und ihr Großvater sich auf die Bank
setzten. Er war wieder in einer von seinen stummen Phasen, während der ganzen Begegnung mit diesen beiden Losern hatte er
kein Wort gesagt. Jetzt starrte er stumm vor sich hin, genau wie er es schon im Zug immer wieder stundenlang gemacht hatte.
Es war eine der längsten Fahrten in Aprils Leben gewesen. Die ganze Zeit über hatte sie Angst gehabt, ihr Großvater würde
mitbekommen, dass sie in die falsche Richtung fuhren, und einen Aufstand machen. Bei jeder Ankündigung des nächsten Halts
zuckte sie in Erwartung der unausweichlichen Frage innerlich zusammen, und der Zug schien wirklich an jeder Milchkanne zu
halten. Eng wurde es zum ersten Mal, nachdem Fort Morgan ausgerufen worden war. Ihr Großvater richtete sich auf, und April
spürte förmlich, dass er gleich etwas sagen würde. Sie war sich sicher, er würde sie fragen, warum sie wieder in Colorado
waren. Doch stattdessen sagte er: »Lange Zeit haben deine Mom und deine Onkel geglaubt, ich sei ein Schluckspecht.«
Es war gegen elf Uhr abends, alle Leute um sie herum verhielten sich still, und die Stimme ihres Großvaters schien die ganze
Nacht auszufüllen.
»Das kam jetzt etwas überraschend, Grandpa«, erwiderte April. »Und ein bisschen zu laut.«
»Ich schätze, heute würde man so was Sucht oder so nennen«, fuhr er fort, zwar ein bisschen leiser, aber nicht viel. »Eine
Abhängigkeit. Aber ich war nie alkoholabhängig.«
Er unterbrach sich. April wusste, dass er jetzt in Plauderstimmung war und nur aufgehört hatte, damit sie eine Frage stellen
konnte, die ihm eine Entschuldigung gab, endlos weiter zu salbadern.
»Wovon warst du denn abhängig, Grandpa?«
»Du hast eine Menge von ihr, weißt du das eigentlich?«
April verdrehte die Augen. Das würde mal wieder einer der Vorträge werden, bei dem
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