Die fernen Tage der Liebe
Titten, aber eben trotzdem eine Bürde.«
Wayne schüttelte den Kopf. »Wir reden hier ja nur unter Freunden. Wir zwei haben eine Menge miteinander erlebt. Ich bin weiß
Gott kein Waisenknabe. Aber vielleicht solltest du bei der Einschätzung der Frau nicht unbedingt diese Worte wählen, wenn
du deine eidesstattliche Aussage machst.«
»Dazu wird es nicht kommen«, wehrte Mike ab, der allmählich wieder festen Tritt fand und sich nun plötzlich juristisch bewandert
gab. »Sie hatte überhaupt nur einen Kunden, der nennenswerte Umsätze generiert hat. Einen, Wayne. Und der war noch nicht einmal
groß genug, dass sich dafür ein eigener Kundenbetreuer gelohnt hätte. Also habe ich den Telefonverkauf damit beauftragt.«
»Ja, ich habe mir die Zahlen angeschaut«, sagte Wayne. »So schlimm fand ich die gar nicht.«
»Die Umsätze waren geringer als bei jedem anderen im Team. Ich muss schließlich fair bleiben. Als Manager.«
»Verstehe ich«, gab Wayne zurück. Diese kleine mitfühlende Bestätigung sagte er immer dann auf, wenn er jemandem im nächsten
Satz widersprechen wollte, so als habe er allergrößten Respekt vor dem Standpunkt des anderen. »Leider sieht es aber nicht
fair aus. Besonders, wenn man bedenkt, dass du an den späteren Umsätzen über den Telefonverkauf beteiligt warst und sie nicht,
weil du ihr den Kunden ja weggenommen hattest. Und jetzt hast du sie gefeuert.«
Allmählich machte Wayne ihn genauso nervös wie schon Stephanie .
Fair? Ach, hör doch mit dem Scheiß auf! Du bist doch nur ein Parasit. Als Verkäufer bringst du es nicht mehr, also verdienst
du deine Brötchen mit den Provisionen, die andere ranschaffen. Was soll denn daran fair sein, du Arschloch?
Ganz offenbar hatte Wayne wie üblich alle einschlägigen Fakten und Zahlen zusammengetragen und auch verstanden. Mike konnte
sich lebhaft vorstellen, wie er seine Assistentin Judy losgeschickt hatte, um ihm sämtliche Unterlagen zu beschaffen. Ohne
jeden Zweifel hatte er anschließend stundenlang darüber gebrütet und die Situation aus jedem erdenklichen Blickwinkel betrachtet.
Wayne konnte man nicht austricksen. Warum war der nicht gleich selbst Anwalt geworden, verflucht?
»Wayne, du hast mir immer gesagt, dass ich mein Reisegebiet organisieren soll, wie ich es für richtig halte. Und erinnerst
du dich noch an dein Memo über den Personalbestand? Jedes Gebiet musste abbauen, selbst wenn das bedeutete, dass wir ein paar
von unseren vielversprechendsten Leuten gehen lassen mussten. Stephanie war meine unerfahrenste Kundenbetreuerin. Sie hatteeine Menge Potential, aber sie lieferte eben nicht solche Ergebnisse ab wie die anderen. Ich habe ihr jede Chance gegeben,
den Verlust von Transcon wieder wettzumachen. Ich habe sie immer wieder daran erinnert, auf Neuakquise zu gehen. Ich habe
sie behalten, solange ich konnte. Aber ich kann nicht zulassen, dass sie das Ergebnis des ganzen Teams herunterzieht. Ich
hatte keine andere Wahl.«
Leck mich doch
, hatte sie gesagt.
Mike sah die Skepsis in Waynes zusammengekniffenen Augen. Aber bis jetzt war kein Wort gefallen, das einen von ihnen belasten
konnte. Die Zahlen konnte man, wenn man sie in bestimmter Weise darstellte, durchaus dazu heranziehen, seine Maßnahmen zu
rechtfertigen. Zumindest von einem juristischen Standpunkt aus.
»Das ist alles?«, fragte Wayne. »Mehr muss ich nicht wissen?«
Der gute alte Wayne. Passte immer auf, dass er selbst auf dem Trockenen saß.
»Was sollte es denn sonst noch geben?«, fragte Mike. Er konnte es einfach nicht lassen. Anstatt einfach zu sagen,
klar, das ist alles, alter Kumpel
, musste er die Sache unbedingt noch weiter treiben. Bis auf die Spitze.
»Was den Personalabbau angeht, hast du meine Rückendeckung«, sagte Wayne. »Aber wenn da noch andere … ähm … Überraschungen
auftauchen …«
Mike nickte. »Verstehe«, sagte er. »Für Überraschungen bin ich auch nicht zu haben.«
Mike hatte Wayne angelogen. Es gab durchaus Überraschungen, für die er zu haben war. Vor allem für solche, die nach dem Aufknöpfen,
Aufziehen und Aufhaken kamen.
Aber konnte man so etwas wirklich als Überraschung bezeichnen?Er wunderte sich schon lange nicht mehr darüber, dass Frauen zustimmten, sich mit ihm einzulassen, manche sogar überaus bereitwillig.
An der Verführung selbst gab es also nichts Neues mehr zu entdecken. Vielleicht war es ja die Vielfalt, die ihm so viel Spaß
machte: die unterschiedlich
Weitere Kostenlose Bücher