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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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gefragt, ob sie mich verstanden hätten. Alle drei nickten.«
    Ihr Großvater schnaubte in Richtung der leeren Straße vor ihnen.
    »Und weißt du, warum? Weil April nämlich schon wusste, dass sie gewonnen hatte. Deshalb hielt sie die Klappe. Wenn sie befürchtet
     hätte, dass sie nicht ihren Willen bekam, dass ich nicht abbiegen und zum Arnolds Park fahren würde, dann hätte sie einfach
     weiter gequengelt und gemault. Das soll nicht heißen, dass ich wirklich umgekehrt und zurück nach Ohio gefahren wäre. Aber
     wenn sie weiter gemosert hätte, wäre ich eben auf der Interstate 80 geblieben und schnurstracks nach Salt Lake City gefahren.«
    »Du wolltest sagen, Marcy.«
    »Häh?«
    »Du hast gesagt, April hatte gewonnen. Du hast aber Marcy gemeint.«
    Ihr Großvater blickte zu ihr herüber. »Ich rede von deiner Mutter. Nicht von dir.«
    »Das weiß ich, Grandpa. Ich habe dir nur gesagt, was
du
gesagt hast.«
    »Du brauchst mir nicht zu erzählen, was ich gesagt habe. Ich weiß, was ich gesagt habe.«
    Hin und wieder fuhr er sie so an. Aber nach einer Weile schien er es immer zu vergessen, also schob April das auf seine allgemeine
     Verschrobenheit.
    »Jedenfalls machte ich also an die hundert Meilen Umweg, nur damit April in diesen verfluchten Freizeitpark kam. Auf den Schildern
     wurde schon verkündet, dass die Richtung zum Arnolds Park stimmte, nur noch 60 Meilen, nur noch 45 Meilen, nur noch zehn Meilen.
     Als die Rangen das mitkriegten, konnten sie nicht mehr stillsitzen. Sie hüpften kreuz und quer auf der Rückbank herum. Damals
     wurde bei uns noch keiner ins Kittchengesteckt, wenn er keinen Sicherheitsgurt anhatte. April lehnte sich also vor und umarmte mich von hinten so fest, dass ich
     beinahe auf die Gegenfahrbahn geraten und in einen entgegenkommenden Sattelschlepper gekracht wäre.«
    April machte sich nicht die Mühe, ihren Großvater zu berichtigen.
    »Wir kommen also an, und natürlich drehen die Kinder durch. Überall wollen sie mitfahren. Aber am allermeisten wollen sie
     auf die Achterbahn. Wie hieß die noch?
Legend!
Genau. Die Legend. Das wollen sie zuallererst. Auf die Legend. Und die Jungs haben Clare hochgenommen, weil sie glaubten,
     dass sie zu viel Angst hätte mitzufahren. An diesem Tag haben die Burschen vermutlich begriffen, dass ihre Mutter vor gar
     nichts Angst hatte. Sie hatte keine Angst, sich gegen ihren Vater aufzulehnen, als der ihr sagte, sie könnte was Besseres
     kriegen als einen Warrington. Sie hatte keine Angst, als sie bei Mikes Geburt fast verblutet wäre. Sie hatte noch nicht mal
     Angst vor diesem Mist, der sie umgebracht hat.«
    Es entstand eine kurze Pause. April überlegte fieberhaft, was sie Tröstendes sagen konnte, das den alten Knaben davon abhielt,
     in das schwarze Loch zu stürzen, an das er sie beide gerade geführt hatte. Aber dann sprach er weiter, die Stimme ein wenig
     tiefer und leiser. »Es ist alles schon so lange her, dass ich manchmal eine von den paar Sachen vergesse, die sie alle gemacht
     hat«, sagte er.
    »Was zum Beispiel?«, fragte April.
    »Egal«, fuhr er fort, als habe er ihre Frage nicht gehört oder beschlossen, sie zu ignorieren, »jedenfalls sind wir alle zur
     Achterbahn gegangen. Aber am Eingang, wo sich die Leute anstellten, hing so ein Schild, auf dem stand, dass man so und so
     groß sein musste, um mitfahren zu dürfen. Und deine Mutter war nichtgroß genug. Nicht mal annähend. Weil sie uns die Hölle heiß machte, versuchte ich den Aufseher ein bisschen zu bequatschen,
     damit er sie trotzdem durchließ. Hat einige Überredungskunst erfordert, und dann hat sich irgendwie mein alter Kumpel Abe
     Lincoln aus meiner Brieftasche geschlichen, und schwuppdiwupp wurden wir in einem von den Wagen festgezurrt.«
    Aprils Großvater unterbrach sich. »Obwohl, festgezurrt wurde man eigentlich gar nicht. Da gab es solche Bügel, die sie einem
     über den Schoß klappten. Bei meinem Schoß war auch alles schön fest, aber bei deiner Mutter war zwischen den Oberschenkeln
     und den Beinen noch ziemlich viel Platz. Der Aufseher bemerkte das, und ich dachte schon, jetzt würde er uns sagen, dass wir
     aussteigen müssten. Also legte ich meinen Arm um deine Mutter, damit er sah, dass nichts schiefgehen konnte. Was glaubte der
     denn? Dass ich meine Tochter etwa einer Gefahr aussetzen würde? Ich zwinkerte ihm zu, und daraufhin nickte er und schüttelte
     den Kopf. Dann ging er weiter und kontrollierte die anderen Wagen.«
    Ihr Großvater

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