Die Festung der Titanen: Die Götterkriege 4 (German Edition)
außerhalb unserer Macht, sie zu retten.«
»Wie lange sind du und deine Gefährten schon unterwegs?«, fragte ich ihn.
»Monate«, antwortete er und zuckte mit den Schultern. »Man verliert das Zeitgefühl.«
»Wir konnten Kaiserin Elsine befreien«, teilte ich ihm mit. »Hättet ihr uns angesprochen und nicht überfallen, hättet ihr sie kennenlernen können. Sie ist diejenige, die Delgere helfen will, die Kor in eine geeinte Zukunft zu führen.«
»Das hätte Talisan erfreut«, meinte Azaras ohne sichtliche Regung. »Er hat es stets bedauert, dass wir nichts für sie tun konnten. Doch so hart es für ihn auch gewesen sein mochte, sich das einzugestehen, fand er eine andere, wichtigere Aufgabe für uns. Die, den Feind zu unterwandern, seine Geheimnisse zu erfahren, alles für den Tag vorzubereiten, an dem Askannon seine Legionen nach Thalak führen wird, um seine Kaiserin zu retten.« Er wies zu dem Lager hin, wo die Soldaten auf dem Tor uns bereits entdeckt hatten. »Deshalb ist unsere Schwester Vianka so wichtig für uns. Ihr gelang es, sich als Ratskonkubine in den engeren Kreis der Berater des Kaisers einzuschleichen. Nur wurde es ihr zum Verhängnis, dass sie die alten Schriften lesen konnte. Die Priester wissen nicht, wer sie in Wahrheit ist, für sie ist sie nur eine Sklavin, die ihnen die Schriften übersetzt. Wenn wir sie verlieren, verlieren wir alles, was Vianka in den letzten zwanzig Jahren über unseren Feind herausgefunden hat. Finden die Priester heraus, wer sie in Wahrheit ist …« Er tat eine hilflose Geste. »Dann gefährdet es alles, für das Talisan und wir in den letzten Jahrhunderten so gelitten haben.« Er lächelte schief. »Abgesehen davon ist sie meine Geburtsschwester, und ich will sie nicht verlieren.« Er sah zum Tor hin, wo die Soldaten ihre Bögen spannten oder Kreuzbögen zum Schuss ansetzten. »Willst du nicht etwas unternehmen? Sie werden gleich auf uns schießen.«
»Ich unternehme bereits etwas«, sagte ich und griff meinen Stab fester. »Sag, Azaras, wie alt bist du?«
Er lächelte etwas verlegen. »Hundertundzwölf. Nach Vianka bin ich der Älteste von uns. Für uns ist das ein stattliches Alter, wir haben die Angewohnheit, jung zu sterben … viele gibt es von uns nicht mehr.«
Das mochte erklären, warum er und seine beiden Gefährten so gar nicht dem Bild entsprachen, das ich mir von dunklen Elfen gemacht hatte. Wobei ich zugeben musste, dass es hauptsächlich von Zokora geprägt worden war, deren fast übernatürliche Ruhe ich genauso bewunderte, wie ich sie manchmal dafür auch hassen konnte. Im Vergleich zu ihr war Azaras ein Hitzkopf; wo sie nüchtern überlegte, neigte er dazu voranzustürmen. Es wunderte mich kaum, dass es keine halbe Kerzenlänge gebraucht hatte, bis diese drei den Boden verehrten, auf dem Zokora ging. Was nur zeigte, dass Zokora selbst für eine dunkle Elfe außergewöhnlich war.
So mussten sich die Götter fühlen
20 Eine Wolke von Pfeilen flog in unsere Richtung, und Azaras verspannte sich, auch wenn er tapfer weiterging. »Sie werden uns verfehlen«, teilte ich ihm beruhigend mit. So war es auch, der Pfeil, der uns am nächsten kam, lag immer noch drei Schritt zu kurz.
Ein kleiner Trick, ein Talent, das ich nun mein Eigen nannte. Es hätte mich erschrecken sollen, wie leicht es mir fiel, den tödlichen Pfeilhagel abzuwehren, doch so war es nicht, vielmehr fühlte ich eine grimmige Genugtuung.
So mussten sich die Götter fühlen, dachte ich, als wir unbeirrt weitergingen, auch wenn es Azaras sichtlich schwerfiel, sich von dem Pfeilhagel unbeeindruckt zu zeigen. Die Götter oder Elsine und die alten Eulen. Oder der Verschlinger.
Vielleicht war es doch wahr, dass Macht einem den Charakter verdarb, denn ich musste zugeben, dass ich eine gewisse Genugtuung verspürte, als sich Unruhe unter den Soldaten auf dem Tor breitmachte; zu lange waren wir gezwungen gewesen, nur auf das zu reagieren, was Kolaron Malorbian uns entgegengeworfen hatte. Aber hier und jetzt war ich es, der entschied, was nun geschehen würde!
Ich verstand nun auch, weshalb Seelenreiter so nach den Seelen ihrer Opfer gierten, es war verführerisch, mit Leichtigkeit Dinge tun zu können, die andere niemals für möglich erachtet hätten.
Das Schlimmste war, dass ich mir nicht sicher sein konnte, ob ich selbst imstande gewesen wäre, der Versuchung der Nekromantie zu widerstehen, ein Gedanke, den ich schnellstmöglich wieder verbannte, bevor er mich zu sehr von meinem
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