Die Festung der Titanen
gedacht hätte. Serafine bemerkte meinen Blick und sah mich strafend an, hastig wandte ich die Augen ab. Zokora fuhr sich noch einmal mit einem Tuch über Gesicht und Arme und nickte dankend, als Varosch ihr frische Kleider reichte. »Das ist das Seltsame daran.«
»Ich denke doch, dass Arkin dahintersteckt«, sagte die alte Enke, als sie die Zeltbahn zurückschob, die unsere Schlafkammer von dem Hauptraum trennte. »Es ist zu blauäugig von uns, darauf zu hoffen, dass Arkin nichts unternehmen wird.« Wie gewohnt, saß der Rabe Konrad auf ihrer Schulter und breitete kurz die Flügel aus, um sich im Gleichgewicht zu halten, als sie sich unter der Zeltbahn hindurchduckte. Er musterte mich mit schwarzen Augen, wippte einmal auf und ab und sagte: »Raarha«, fast als wäre er auch froh, dass ich noch lebte.
Den Legenden nach war die alte Enke eine schrecklich hässliche Hexe, in Wahrheit ähnelte sie mehr einer etwas molligen Bürgersfrau aus Lassahndaar als dieser grässlichen Gestalt, mit deren Schilderung man in meiner Heimat kleine Kinder erschreckte. Selbst ich hatte als kleines Kind mehr als einmal unter meiner Bettstatt nachgesehen, ob sie sich dort auch nicht verborgen hielt, um mich in der Nacht zu holen. Konrad hingegen entsprach ganz und gar der Legende, ein Furcht einflößender, riesiger, schwarzer Rabe mit zerrupftem Gefieder, dessen Blick bösartiger nicht sein konnte. Nur dass er jetzt nicht halb so bösartig dreinschaute wie sonst.
»Es wäre ein kluger Schachzug von ihm«, fuhr Enke fort, als sie sich auf einen Stuhl setzte, den Varosch eben erst für Zokora hereingetragen hatte. Was Varosch dazu veranlasste, sogleich den nächsten Stuhl zu holen. »Mit einem Streich hätte er unsere ganzen Pläne zunichtegemacht.«
»Ich glaube dennoch nicht, dass Arkin es war«, wiederholte Zokora und knöpfte ihr schwarzes Lederhemd zu, um sich dann ihre Messerscheiden an die Unterarme zu schnallen.
»Ich bin mit Zokora einer Meinung«, meinte Serafine. »Wir wissen, dass Arkin vorhatte, Havald beim letzten Kampf gegen den Verschlinger antreten zu lassen. Es wäre die elegantere Lösung für ihn gewesen.«
»Es sei denn, er befürchtet, Havald könnte gegen den Verschlinger bestehen«, erwog Varosch, doch Zokora schüttelte den Kopf. Sie setzte sich auf den Stuhl, den Varosch ihr gebracht hatte, und schnallte sich ihre Beinscheiden um. Somit zählte ich jetzt vierzehn Dolche, und das waren nur die, die ich sehen konnte. Es war ungewohnt, Zokora ohne ihre Rüstung zu sehen; nur in einem Lederhemd, Hose und Stiefel gekleidet kam sie mir umgänglicher vor.
»Wir haben Arkin belauscht, als er die Nachricht von dem Angriff hier erhielt«, erklärte sie. »Er schien überrascht und reagierte verärgert, als er erfuhr, dass Havalds Schwert gestohlen wurde. Mir schien …«
Ich lächelte Zokora an. »Du bist niedlich.«
Stille. Varosch und Serafine sahen mich ungläubig an, während Zokora in ihrer Bewegung erstarrte und sich dann ganz langsam mir zuwandte.
»Ach ja?«, fragte sie, während Serafine den Atem anhielt. »Wie kommst du darauf?«
»Weil du es bist.«
»Das ist eine beeindruckende Logik«, stellte Zokora lächelnd fest.
Serafine atmete langsam aus. »Du nimmst es ihm nicht übel?«, fragte sie vorsichtig.
Zokora zuckte mit den Schultern. »Der Trank nimmt ihm die Schmerzen, doch eine Nebenwirkung ist es, dass er die Dinge so sagt, wie er sie sieht. Dass er es so sieht, ist wahrscheinlich auch dem Trank geschuldet.«
Serafine schüttelte immer noch voller Unglauben den Kopf. »Es stört dich nicht? Ich dachte immer, dass du Wert darauf legst, Furcht einflößend zu sein!«
Es hieß immer, dass man Elfen nicht überraschen könnte, doch jetzt kam es mir vor,
Weitere Kostenlose Bücher