Die Festung der Titanen
würde es auch vorziehen, manches nicht zu erinnern. Aber Ihr müsst.« Sie ließ ihre Fingerspitzen über das polierte Ebenholzkästchen gleiten. »Der Mann, der Euch das antat, hielt sich für einen Priester Omagors. Er erstach Euch mit einem Dolch, der dem toten Gott geweiht war, und er wollte Euch damit mehr als nur das Leben nehmen. Er wollte Euch auch Eure Seele stehlen.«
»Dann bin ich dankbar, dass es ihm nicht gelungen ist.«
Sie sah mich traurig an. »Wie kommt Ihr darauf, dass es ihm nicht gelang?«
»Havald?« Ragnars fragende Stimme riss mich aus meinen Erinnerungen.
»Ja«, sagte ich. »Ich vertraue Elsine. Sie gab mir meine Seele wieder.«
Ragnar musterte mich nachdenklich. »Will ich wissen, wie du das meinst?«
Unwillkürlich griff ich an meine Brust, wo noch immer die Narbe schmerzte, die bis zum heutigen Tag nicht gänzlich heilen wollte.
»Nein«, antwortete ich mit belegter Stimme, während ich versuchte die Erinnerung daran zu verdrängen, wie Elsine mir diesen schwarzen Dolch ins Herz gestoßen hatte, um das Ritual umzukehren. »Das willst du nicht wissen.«
Ragnar nickte und stand auf. »Wir sollten zu den anderen zurückkehren«, meinte er und griff nach seiner Axt. »Vielleicht haben Zokora und Varosch ja schon etwas zu berichten. Ich … Havald!«
Zugleich mit seiner Warnung hörte ich die Pferde wiehern.
Sie waren zu fünft, dunkle Elfen, vier Krieger, die mit Schwertern und kurzen Bögen bewaffnet waren, und eine Frau in einem langen Ledergewand, die einen Stab aus dunklem Ebenholz in der Hand hielt. Eben noch waren dort nur die Pferde gewesen, jetzt sah ich einen Lidschlag lang den schimmernden Rand eines magischen Tors. Doch schon im nächsten Moment flogen vier Pfeile auf uns zu, und noch bevor die erste Salve bei uns einschlug, waren die nächsten Pfeile bereits in der Luft.
Seelenreißer sprang in meine Hand und fuhr zur Seite weg und hoch, um einen Pfeil zur Seite zu schlagen, der Ragnar in den Hals getroffen hätte, ein anderer traf mich in die linke Schulter, der dritte Pfeil traf Ragnar in seinen linken Oberschenkel, der vierte traf mich am Bein.
Zeitgleich hob die dunkle Maestra ihre Hand, und ein eisiger Windstoß warf Ragnar und mich so hart zurück, dass mir Seelenreißer aus der Hand flog, und ließ uns wie Puppen über den kargen Steppenboden rollen, vielleicht zu unserem Glück, denn dort, wo wir eben noch gesessen hatten, schlugen schon die nächsten Pfeile ein.
Wieder wirbelte uns dieser eisige Windstoß davon, ließ Himmel und Erde die Plätze tauschen, hob mich mit kalten Fingern in die Luft, um mich hart niederzuwerfen.
Ich hörte Zeus wiehern und sah, wie er sich von dem Seil losriss, das zwischen die beiden Bäume gespannt war, wie er stieg und seine metallbeschlagenen Hufe wirbeln ließ. Das Geräusch von dumpfen Aufschlägen und berstenden Knochen folgte. Ein Pfeil schoss knapp an mir vorbei, der zweite traf Ragnar unter der linken Schulter, der dritte verfehlte mich so knapp, dass er eine feurige Spur an meinem Hals entlangzog.
Ein dunkler Schatten huschte dorthin, wo Ragnar und ich gesessen hatten, und verschwand. Mein Hengst schnaubte empört und kam zu mir getrabt, während aus dem Lager hinter uns Rufe ertönten.
Mühsam richtete ich mich auf und suchte Ragnar, er lag wie eine zerschmetterte Puppe drei Schritt weit entfernt, die längsten drei Schritt meines Lebens. Ich kroch zu ihm hin, und als er mich sah, hielt er mir seine blutige Hand entgegen. Er versuchte zu lächeln und etwas zu sagen, doch ein Schwall schaumigen Blutes nahm ihm seine Worte, dafür griff er meine Hand so fest, dass er mir die Hälfte meiner Finger brach, bevor er sich röchelnd aufbäumte und still lag, mit der anderen Hand hielt er noch immer den Griff seiner göttergeschmiedeten Axt
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