Die Festung der Titanen
besonders berühren«, sagte sie leise. »Irgendwie ist es einer Feindeslanze gelungen, die Donnerberge zu umgehen. Sie haben gestern Morgen Coldenstatt angegriffen. Die Stadt ist nicht befestigt, wie Ihr wisst, und es gab erhebliche Verluste, bevor kaiserliche Truppen sie zurückschlagen konnten.«
Götter, dachte ich entsetzt. Coldenstatt. Wenn es einen Ort gab, den ich als meine Heimat fühlte, dann war es diese Stadt, die ich schon kannte, als dort nicht mehr als ein Gasthof und ein Brunnen stand. Esire, Ragnars Eheweib, seine Kinder …
»Götter!«, entfuhr es mir. »Weiß man … ist …«
»Königin Leandra hat Euch eine Nachricht geschickt«, ließ Elsine mich mit sanfter Stimme wissen. »Sie wartet in Eurem Zelt auf Euch.«
»Ich werde sie sogleich lesen«, sagte ich und schob das Leinen des Eingangs zur Seite. »Doch zuvor will ich Euch jemanden vorstellen.« Ich trat nach draußen, wo die vier dunklen Elfen warteten, und gab ihnen ein Zeichen.
Mit einem Ausdruck von fast kindlichem Staunen in den dunklen Gesichtern drängten sich nun Azaras, Vianka und ihre Brüder an mir vorbei, um vor Elsine auf die Knie zu fallen.
»Ser Roderik«, fragte Elsine staunend. »Wer sind diese Elfen?«
»Die Nachfahren der Nachtfalken, die Askir und Euch treu geblieben sind und unter Talisans Führung bis nach Thalak, ins Herz des Feindes, marschierten, um Euch zu retten«, teilte ich ihr mit und nickte Azaras aufmunternd zu. »Den Rest sollen sie Euch selbst erzählen.«
25
Die Ballade von der Wiesenfrau
»Wie schlimm ist es?«, fragte Varosch, als er eilig unser Zelt betrat. »Ich habe es eben erst erfahren … ich habe Freunde, die sich nach Coldenstatt gerettet haben!«
»Schlimm«, gestand ich und sah auf die Nachricht herab, die ich noch immer in der Hand hielt. Es gab mir einen leisen Stich, Leandras Handschrift zu sehen. In der letzten Zeit hatte ich kaum an sie gedacht. Und doch war ich ihr mehr als ein Versprechen schuldig und auch meine Ehre. Ich wusste, dass ich Serafine liebte, doch das änderte nichts daran, dass auch Leandra ein Teil meines Herzens gehörte. Zudem, mittlerweile war ich mir recht sicher, dass auch Leandra und ich uns schon länger als nur dieses Leben kannten. Das Spiel der Götter und der Seelen … manchmal war es schlicht vertrackt.
»Es gab fast vierhundert Tote und über tausend Verletzte, zum größten Teil Flüchtlinge. Wir haben über hundertfünfzig Legionäre der vierten Legion verloren, die meisten von ihnen waren nur grüne Rekruten, aber es gelang ihnen, den Angriff letztlich abzuwehren und den Feind in die Flucht zu schlagen.«
»Was ist mit Ragnars Weib und seinen Kindern?«, fragte Varosch besorgt.
Ich schluckte, es tat mir weh, es laut auszusprechen. »Leandra weiß von ihnen, sie ließ nach ihnen fragen. Hrelde, die zweitjüngste von Ragnars Töchtern, sie wurde niedergeritten und, wie Leandra schreibt, weiß man noch nicht, ob die Götter sie zu sich rufen werden. Sollte sie es überleben, kann man noch nicht sagen, ob es selbst mit einer Tempelheilung möglich sein wird, ihr Bein zu retten.«
Aleyte kam mir in den Sinn. Ich sah auf meine linke Hand herab, die vor wenigen Tagen auch zerschmettert gewesen war.
»Kann ich sehen?«, fragte Varosch und streckte die Hand aus.
»Der letzte Teil der Nachricht ist für mich allein bestimmt«, teilte ich ihm rau mit, als ich ihm die Schriftrolle reichte.
»Ich werde sie nicht lesen«, versprach er mir und seufzte, als er zu den Namen kam, deren Schicksal Leandra bereits bekannt gewesen war, als sie diese Nachricht schrieb.
»Müller Aton«, sagte er dann rau. »Wir sind zusammen in Lassahndaar aufgewachsen, und als mein Vater mich einmal blutig schlug, kümmerte er sich um mich, er war ein guter Kerl. Er ist der Einzige, dessen
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