Die Festung des Teufels
zögerlich.
»Mein Name ist Kallie van Reenen.«
Sie erklärte ihm schnell, wer sie war.
»Kallie! Moment!«, sagte Sayid, als ihm die Bedeutung des Anrufs bewusst wurde. Schnell stöpselte er das Handy in den Laptop ein und ließ die Finger über die Tastatur sausen, um ihre Stimme zu verzerren für den Fall, dass jemand mithörte. »Okay. Die Leitung ist jetzt sicher. Hast du was von Max gehört?«
»Nein. Du?«
»Nichts. Wo ist er?«
»Keine Ahnung. Ich werde die Polizei einschalten müssen, ich hätte ihm erst gar nicht helfen dürfen.«
Sayid wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich Vorwürfe zu machen. »Er wäre auch so gefahren.«
»Genau das hab ich meinem Dad gesagt, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
»Kallie, die Polizei konnte Max’ Dad nicht finden, und sie wird auch Max nicht finden. Zu viel Aufsehen würde nur schaden und die falschen Leute auf den Plan rufen. Aber ich hab was herausgefunden, was Max vermutlich noch nicht weiß.«
Während er sprach, zog Sayid seine Schreibtischschublade auf, fasste mit der Hand darunter und entfernte den Brief, der mit Klebeband am Holz befestigt war. Er ging zur Tür, spähte nach draußen, ob auch niemand da war, und zog sie wieder zu.
»Bist du noch dran?«, fragte er mit gedämpfter Stimme.
»Ja klar«, sagte Kallie.
»Gestern ist ein Brief angekommen, von Max’ Dad. Der wurde direkt an mich geschickt. Das hat er schon mal so gemacht. Als ob er niemandem sonst trauen würde. Ich hab mir den Poststempel angesehen. Der Brief ist fast eine ganze Woche früher abgeschickt worden als der letzte, den Max noch gekriegt hat. Er hat also nur die Hälfte gewusst, als er nach Afrika aufgebrochen ist.«
»Wo wurde der Brief aufgegeben?«
»Walvis Bay, Namibia.«
»Walvis Bay.« Kallie klang nachdenklich.
»Ist das wichtig?«
»Ich weiß es nicht. Das ist der größte Hafen hier, und da herrscht reger Schiffsverkehr. Was steht denn drin?« Kallie hörte das leise Rascheln von Papier in der Leitung.
Sayid ging immer wieder zur Tür und warf einen prüfenden Blick in den Korridor. Er wollte nicht belauscht oder gestört werden, vor allem nicht von Mr Peterson. Wenn es Leute gab, die Max daran hindern wollten, seinen Vater zu finden, würden sie sicher die Leitungen überwachen. Sayid konnte also nicht lange sprechen, denn ganz gleich, wie schlau auch seine Idee gewesen war, den Stimmabdruck zu verzerren, früher oder später würde diese Leute seine Codes knacken.
»Wir haben nicht viel Zeit. Kann sein, dass die mein Telefon abhören.« Sayid las Kallie den Brief vor, den Max nie erhalten hatte.
»Max, weißt du noch, in Ägypten? Seth macht hier Probleme. Ich hab sein Geheimnis entdeckt. Leopold trifft sich mit dir in Eros. Fahr sofort los. Viel Zeit bleibt nicht. Hab dich lieb. Dad. «
»Fast wie ein Telegramm«, sagte Sayid. »Die Erosstatue steht am Piccadilly Circus. Dieser Leopold wollte Max anscheinend an einen sicheren Ort bringen. Aber er ist nie aufgetaucht.«
Kallie hatte aufmerksam zugehört. »Wissen wir, wer dieser Leopold ist?«, fragte sie.
»Nicht mit Gewissheit. Ich weiß, dass sein Dad einen Mitarbeiter hat, einen Deutschen oder Österreicher, der sich in Namibia auskennt. Die Chancen stehen gut, dass es Leopold ist.«
»Und wer ist Seth?«
»Hab ich schon recherchiert. Max und sein Dad sind in den Sommerferien immer in der Weltgeschichte rumgegondelt, und Ägypten war eins ihrer Lieblingsländer. Seth ist der Gott des Chaos. Mehr weiß ich nicht. Ach und noch was, hier gibt’s einen Lehrer, Peterson, und ich weiß, dass er Max verfolgt hat. Der steckt bis zum Hals da mit drin. Der Brief ist übrigens mit der Hand geschrieben worden, mit Bleistift … so wie der andere.«
»Sein Vater hat ihn also warnen wollen. Und weil kein Telefon in der Nähe war, musste er schreiben. Jemand anders muss den Brief für ihn aufgegeben haben, denn er ist in Walvis Bay abgestempelt und da gibt’s massenhaft Telefone. Er muss gewusst haben, dass jemand versuchen würde, Max was anzutun. Vielleicht ist das der Seth , den Max’ Dad meint.«
Kallie überlegte. Das Einzige, was sie mit ziemlicher Sicherheit sagen konnten, war, dass Max’ Vater seinen Sohn vor irgend etwas gewarnt hatte. Alles andere blieb ein Rätsel. Jedenfalls ging es nicht mehr nur um einen Jungen, der seinen verschollenen Vater in der Wildnis von Namibia suchte.
»Er sollte hierherkommen, Sayid. London hat nichts damit zu tun. Es war nicht die Erosstatue
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