Die Festung des Teufels
tief runter! Wahnsinn! So hatte er sich das nicht vorgestellt. Er bekam weiche Knie, und die Knochen seiner Hände traten weiß hervor. Maxsah, dass Hoggart offenbar noch mehr Angst hatte als er selbst, denn ihm stand der Mund offen, und er starrte angestrengt nach oben, als versuche er, den Abgrund unter sich gar nicht erst wahrzunehmen. Zum Glück hatte Max seine Angst besser unter Kontrolle.
Diese beiden älteren Jungen würden ihn nie in Ruhe lassen, die waren nun mal so, und Max nahm an, wenn er jetzt buchstäblich den Sprung ins kalte Wasser wagte, wäre er sie wahrscheinlich ein für alle Mal los.
Er nahm die Hände vom Geländer, drehte sich zu Hoggart um und sagte: »Wer als Letzter springt, ist ein Feigling.« Und ohne weiter nachzudenken, sprang er hinunter.
Er ruderte mit den Armen und strampelte mit den Füßen und fiel und fiel, sein Magen zog sich zusammen, immer und immer wieder, und dann schlug er auf …
Das Wasser saugte ihn ein. Der Atem des Teufels war jetzt ein schäumendes Gebrodel, durch das er immer weiter in die Tiefe sank. Kurz sah er den Tunneleingang und dann wieder Felsgestein. Zwanzig Meter war er bestimmt schon gefallen, als das aufsteigende Wasser seine Abwärtsbewegung stoppte.
Instinktiv hatte er die Luft angehalten, als das Wasser von allen Seiten nach ihm griff; es schien in verschiedene Richtungen zu strömen und drückte und zerrte an ihm mit gewaltiger Kraft.
Von oben drangen einzelne Lichtstrahlen zu ihm durch, als er wie in einer riesigen Waschmaschine hin und her geworfen wurde, und nach einigen Sekunden meldete ihm sein Gehirn, dass es keinen Sinn hatte, gegen die Urgewalt dieser Wassermassen anzukämpfen. Er musste sich ihnen ergeben. Er durfte sich nicht dagegen wehren. Je mehr er um sich schlug, desto geringer waren seine Überlebenschancen.
Überleben? Schon explodierte seine Lunge, der Schmerz, den der Druck auf seinen Ohren verursachte, war kaum auszuhalten, und er wurde herumgeschleudert wie eine Ratte im Maul eines Terriers. In der Hoffnung, dem Wasser weniger Angriffsfläche zu bieten, rollte er sich zusammen, aber das machte alles nur noch schlimmer, denn als er die Knie an die Brust zu ziehen versuchte, drückte er auch noch den letzten Rest Luft aus seiner Lunge. Max biss die Zähne zusammen und schluckte krampfhaft, um das Verlangen zu unterdrücken, einfach tief Luft zu holen, aber das lenkte ihn auch nur vorübergehend von den stechenden Schmerzen in seiner Brust ab. Das war das Ende.
Im Schwimmbad konnte er, wenn er sich Zeit ließ, um seine Lunge ordentlich mit Luft zu füllen, und dann mit einem kraftvollen Kopfsprung startete, mit aller Mühe eine komplette Fünfzigmeterbahn tauchend zurücklegen. Hier aber wurde er zusätzlich von einer Art mächtiger Brandung umhergeworfen. Die wilde Strömung zerrte ihn unablässig hin und her. Seine Beine fühlten sich an, als würden sie aus ihren Gelenken gerissen, und seine Arme schlackerten umher wie lose Taue.
Totale Finsternis. War sie in seinem Kopf oder da draußen? Er wusste es nicht. Die letzten Reste seines Bewusstseins wandten sich an Gott, an seine Mutter und seinen Vater und verdichteten sich schließlich zu einem verzweifelten inneren Hilferuf an alle, die ihn womöglich hören konnten – egal wer, Hauptsache, ihm wurde geholfen. Und hinter dem flackerte die Erinnerung daran auf, dass er fliegen konnte. Er konnte das doch. Einfach aus dem Wasser in die Höhe schießen und fliegen. Dann wäre er frei. Dann könnte er wieder atmen.
Aber die Kraft hatte ihn verlassen.
Er musste den Mund aufreißen und Wasser schlucken. Würgenund Erbrechen wären die Folgen, und dann würde er sterben, aber er hatte keine Wahl, seine brennende Lunge würde ohnehin gleich platzen.
Plötzlich veränderte sich etwas. Schaumflocken schlugen ihm ins Gesicht – und das hieß, da war Luft. Es war fast völlig dunkel, aber über ihm schimmerte es grau, und er stieß die Arme durch das brodelnde Wasser nach oben. Er war sich sicher, dort oben war Luft! Er krümmte den Rücken und versuchte strampelnd hochzukommen. Als sein Kopf durch die Wasseroberfläche stieß, schlug ihm donnernder Lärm entgegen, ein Brausen wie von einem Wasserfall, und er schoss mit rasender Geschwindigkeit dahin, aber immerhin war sein Gesicht ganz aus dem Wasser heraus. Er atmete gierig, verschlang die Luft. Der Schmerz in seinem Brustkorb ließ nach, und sosehr seine Lunge auch brannte, er sog die Luft in hastigen Zügen ein.
Erst
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