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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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dem Original.
    Nach dem Essen tranken sie Yanjing-Bier und aßen Kekse, während Zhang Dou im Internet surfte. Fang Caodi fragte Chen, wie sie die Suche nach seiner Bekannten angehen sollten.
    »Ich weiß es nicht genau«, antwortete Chen. »Ich habe nichts als dieses Stück Papier.«
    Er holte das Zettelchen aus seiner Brieftasche und ließ Fang Caodi einen Blick darauf werfen. »Was bedeutet das?«, fragte der.
    »Ich schätze, es ist eine Anlehnung an das Bibelzitat ›Ein Weizenkorn erstirbt nicht‹.« Fang Caodi reichte den Zettel weiter an Zhang Dou.
    »Ach – deshalb hatten Sie Professor Hu nach Weizenkörnern gefragt! Dann machen wir uns eben auf nach Henan. Ich fahre. Wir suchen die Kirche, von der Professor Hu sprach, dann sehen wir weiter.«
    »Nicht so hastig. Die Kirche heißt zwar so, aber ich bin mir nicht einmal sicher, ob sich hinter dem Namen wirklich Xiaoxi verbirgt, ganz zu schweigen davon, dass gar nicht gesagt ist, ob da überhaupt eine Verbindung besteht.«
    In diesem Moment meldete sich Zhang Dou, der über sein Notebook gebeugt war: »Ich hab’s gefunden, kornichtot.« Chen und Fang Caodi drängten sich hinter ihm zusammen.
    »Du hast einfach kornichtot eingegeben?«, fragte Chen.
    »Jup.«
    Chen hatte sich von Anfang an bloß Gedanken über die Bedeutung des Namens gemacht, es war ihm nie in den Sinn gekommen, einfach nach der Ausgangsversion zu suchen.
    Es gab nur einen einzigen Treffer, einen zwei Wochen alten Beitrag in einem Chatroom namens Blick durch den Türspion:
    »Melonenkopf, du sagst, du seiest entmutigt, würdest nie wieder etwas in chinesischen Foren schreiben wollen. Das verstehe ich sehr gut, ich kenne das: Die Aufsätze, die du mit so viel Mühe schreibst, werden rücksichtslos gelöscht, du wirst von einem Mob geifernder Online-Rowdys attackiert (oft sind das gar keine wütenden Jungpatrioten, sondern Fünfzig- oder Sechzigjährige, die im Internet andere Leute tyrannisieren), und dabei nennst du doch nur Fakten und appellierst an ihre Vernunft, wirst niemals ausfallend, hältst fest an deinen Überzeugungen. Ich bewundere dich dafür. Du gibst mir den Mut durchzuhalten. Ich habe keine Angst vor den wütenden Patrioten und erst recht nicht vor den alternden Rowdys. Ich werde bis zum Ende weitermachen. Ich glaube an die Vernunft des Menschen. Die Wahrheit lässt sich niemals auslöschen. kornichtot.«
    »Ist das von ihr?«, fragte Fang Caodi.
    »Sieht ganz so aus!«, sagte Chen.
    »Ihrer Sprache nach zu urteilen, ist sie eine Artgenossin.«
    »Ihrer Sprache nach zu urteilen, ist sie wohl schon was älter«, kommentierte Zhang Dou.
    »Von wo aus wurde das abgeschickt?«, fragte Chen.
    »Weiß nicht. Aber mit Hilfe der anderen User werde ich versuchen, es rauszufinden.«
    Es bewegte Chen sehr, möglicherweise eine Nachricht von Xiaoxi gefunden zu haben. Er setzt sich wieder auf seinen Stuhl, bemüht, die Tränen zu unterdrücken.
    Fang Caodi setzte sich neben ihn und reichte ihm ein Bier. »Ich will Ihnen von jenen achtundzwanzig Tagen erzählen«, hob er an. Dann holte er ein paar Mal tief Luft, wie ein Sportler vor einem Wettkampf, und begann:
    »Kurz vor Neujahr jenen Jahres unternahm ich einen Trip nach Macao. Wieder auf dem Festland verbrachte ich dann die Feiertage in Zhongshan, einer der kleineren Millionenstädte Guangdongs. Früher war das eine reiche Gegend, aber seit einiger Zeit waren Ferienwohnungen dort bei den Leuten aus Hongkong und Macao nicht mehr gefragt, und auch viele Fabriken hatten dicht gemacht. Es hieß, die Wanderarbeiter würden in diesem Jahr nach dem Neujahrsfest bei ihren Familien zu Hause bleiben, da es in den Städten ohnehin keine Arbeit mehr für sie gab. Seit einigen Jahren fanden auch Hochschulabsolventen nur noch schwer eine Anstellung. Ich arbeitete ein paar Tage in einem auf gebratene Jungtauben spezialisierten Restaurant, dann wurde ich wieder entlassen. Mir machte das nichts aus. Wenn nicht Arbeit, dann eben Vergnügen! Am achten Tag nach Neujahr sah ich an einem Zeitungskiosk die Schlagzeile des Southern Daily: »Globale Wirtschaftseiszeit!« Die Menschen ahnten nichts Gutes und die Atmosphäre war angespannt. Meine Vermieterin wollte auf einmal von mir wissen, ob ich eigentlich polizeilich gemeldet war. In welcher Zeit lebten wir denn! Das hier ist Zhongshan, seit wann meldeten sich Auswärtige hier an? Sie sagte, wenn ich mich nicht meldete, müsse ich sofort ausziehen. Das verstieß gegen unseren Vertrag. Die Nachbarn kamen

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