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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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Jeep Cherokee mit hoher Geschwindigkeit über die Peking-Macao-Autobahn, überholte alles, was ihm in die Quere kam, und erzählte Chen unterdessen von allerlei sonderbaren Dingen, die er auf seinen Reisen gesehen oder gehört hatte.
    Im Taihangshan-Gebirge in Hebei gab es ein Dorf, das die Leute Gute-Laune-Dorf nannten. Seine Bewohner waren stets über die Maßen heiter und fröhlich – aber man hatte den Medien wiederholt verboten, darüber zu berichten. Möglicherweise hatte es mit der riesigen, streng geheimen Chemiefabrik zu tun, die weiter flussaufwärts lag. Fang Caodi hatte von einem betrunkenen Journalisten aus Shijiazhuang von dem Dorf erfahren und sich sogleich auf den Weg dorthin gemacht. Dort angekommen, stellte er fest, dass die Bewohner wirklich alle mit einem breiten Lächeln im Gesicht durch die Gegend liefen und eine auffallende Freundlichkeit an den Tag legten. Sie wirkten allesamt ausgesprochen gesund, die Männer trugen Blumen in den Haaren und er sah ein paar alte Frauen, die mit unbedecktem Oberkörper und hängenden Brüsten ungeniert in der Sonne badeten. Selbst von wildfremden Besuchern ließen sie sich dabei nicht stören, was in China eigentlich absolut undenkbar war. Fang Caodi war sogar noch fünf Kilometer am Fluss entlang in die Berge gewandert und hatte tatsächlich von Weitem eine Chemiefabrik ausmachen können, mit einem hohen Stacheldrahtzaun und zahlreichen Warnschildern umgeben, sodass er sich nicht weiter genähert hatte. Aber er hatte Flugzeuge aufsteigen und landen sehen – offensichtlich verfügte die Fabrik über einen eigenen Flugplatz.
    Chen hörte zu, traute sich jedoch nicht, irgendetwas zu erwidern, aus Angst, er könne Fang Caodi für eine Sekunde vom Fahren ablenken. Während der mit hoher Geschwindigkeit über die Autobahn fegte und gleichzeitig fröhlich vor sich hin plauderte, waren sie schon mehrmals erschreckend knapp an entgegenkommenden Autos vorbeigeschrammt. Chen würde drei Kreuze machen, wenn sie Henan heil erreichten.
    So wollte Chen nicht enden – nicht ohne Xiaoxi wenigstens noch einmal gesehen zu haben. Er wünschte sich, mit ihr seinen Lebensabend zu verbringen, gemeinsam alt zu werden und die verbleibenden Jahre miteinander zu teilen. Noch lebte sie alleine in ihrer ganz persönlichen Hölle, aus der sie keinen Ausweg fand. Er musste ihr Hoffnung geben, ihrer Einsamkeit ein Ende bereiten, sie ›retten‹, wie Madame Song es genannt hatte; koste es, was es wolle. Sie sollte sich nicht mehr quälen, sondern mit ihm ihr kleines Stück Glück finden und ein gutes Leben haben. Chen zog ein Stofftuch hervor und begann, seine Brille zu putzen. Heimlich wischte er sich auch seine wieder einmal feucht gewordenen Augen.
    Er aß einen von Miaomiaos Keksen und blickte aus dem Fenster in die nordchinesische Ebene, die sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schien. Er spürte unbändige Liebe in seinem Herzen. Er hätte nie gedacht, dass er – in seinem fortgeschrittenen Alter – noch zu derartigen Emotionen fähig war.
    Sie fuhren von Peking aus immer weiter nach Süden, und waren schon kurz vor Shijiazhuang, als Fang Caodi den Wagen vor einer Zubringer-Ausfahrt auf den Seitenstreifen steuerte und anhielt.
    Chen sah auf das GPS-Gerät und sagte: »Nach Shijiazhuang brauchen wir bloß weiter der Autobahn zu folgen.«
    Fang Caodi schwieg.
    »Was ist?«, fragte Chen.
    »Es tut mir leid, aber ich habe ein ungutes Gefühl«, sagte Fang Caodi.
    »Worum geht es?«, fragte Chen in der Sorge, Fangs Vorahnung könnte Xiaoxi betreffen.
    »Ich habe das Gefühl, dass irgendetwas mit dem Gute-Laune-Dorf passiert ist, von dem ich Ihnen erzählt habe.«
    »Oh«, sagte Chen erleichtert. »Was denn?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Fang Caodi. »Aber ich würde gerne kurz nachsehen, wenn das für Sie in Ordnung wäre. Es dauert auch nicht lange, ist ganz hier in der Nähe.«
    Widerstrebend stimmte Chen zu.
    Sie nahmen die Ausfahrt und verließen die Autobahn Richtung Westen. Sie fuhren etwa eine Stunde auf einer geteerten Straße in die Berge hinein, dann folgten circa zwanzig Minuten Schotterpiste und eine weitere halbe Stunde Fußweg, bis sie endlich das Dorf erreichten.
    Es war menschenleer. Fang Caodi warf einen kurzen Blick in einige der Häuser und konstatierte: »Alle Werkzeuge und Kochutensilien sind noch da. Sehr merkwürdig.«
    Eine Besonderheit des Dorfes erregte Chens Aufmerksamkeit. Bei den Häusern handelte es sich um die typischen, einfachen

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