Die Feuer des Himmels
plauderten. Natürlich verrauchte ihr Zorn nicht ganz, aber immerhin. Sie mochte Elayne und genoß ihre Gesellschaft. Zuzeiten schien es, als sei das Mädchen tatsächlich Egwenes Schwester. Manchmal hatten sich die beiden ja auch gegenseitig so bezeichnet - wenn Elayne nicht gerade das Flittchen spielte. Thom hätte dem natürlich entgegenwirken können, aber der alte Narr bestätigte Elayne noch, indem er sie behandelte wie ein wohlwollender Vater seine Lieblingstochter, selbst wenn er nicht wußte, ob er hüh oder hott sagen sollte. Wie auch immer, sie würde dem auf den Grund gehen. Nicht Rands wegen, sondern weil Elayne einfach zu gut für so etwas war. Es war, als habe sie sich ein fremdartiges Fieber eingefangen. Nynaeve hatte allerdings vor, sie davon zu heilen.
Die Straßen von Mardecin waren mit Granitplatten gepflastert, die von Generationen von Füßen und Wagenrädern ausgefahren und ausgetreten worden waren, und die Gebäude waren alle aus Backsteinen oder Naturstein erbaut. Allerdings stand eine ganze Anzahl davon leer, sowohl Geschäfte wie auch Wohnhäuser. Manchmal stand sogar die Vordertür offen, so daß Nynaeve in die leeren Räume dahinter blicken konnte. Sie sah drei Schmieden, von denen zwei aufgegeben worden waren, während in der dritten der Schmied gerade seine Werkzeuge halbherzig mit Öl pflegte. Die Essen waren kalt. Vor einer Schenke mit einem Schieferdach saßen die Gäste verdrießlich auf Bänken im Freien. Ein Teil der Fenster war zerbrochen, und bei einer anderen Schenke hing die Tür zum danebenstehenden Stallgebäude schief in den Angeln. Eine verstaubte Kutsche stand im Stallhof. Auf dem Kutschbock brütete einsam eine Henne. Im Schankraum spielte jemand auf der Zither den ›Reiherflug‹, doch selbst diese Melodie klang irgendwie mutlos und halbherzig. Die Eingangstür einer dritten Schenke war mit zwei rissigen Brettern vernagelt.
Die Menschen drängten sich in den Straßen, doch sie bewegten sich träge, von der Hitze erschlagen. Trübe Mienen sagten deutlich aus, daß sie eigentlich - außer der Gewohnheit - eigentlich gar keinen Grund hatten, sich zu bewegen. Viele Frauen trugen große, breitkrempige Hüte, die ihre Gesichter fast ganz verbargen, und die Säume ihrer Kleider waren ausgefranst. Genauso ausgefranst wie die Krägen oder Manschetten an den knielangen Mänteln vieler Männer.
Tatsächlich waren auf den Straßen einige Weißmäntel zu sehen, und wenn es vielleicht nicht so viele waren, wie sie nach Thoms Bericht erwartet hatten, waren es immer noch genug. Nynaeve stockte jedesmal der Atem, wenn sie bemerkte, daß ein Mann in jungfräulich weißem Umhang und glänzendem Harnisch sie anblickte. Sie wußte wohl, daß sie keinesfalls lange genug mit der Macht gearbeitet hatte, um die typische Alterslosigkeit der Aes Sedai anzunehmen, aber bei diesen Männern war durchaus zu erwarten, daß sie eine Hexe aus Tar Valon, die sich nicht in Amadicia aufhalten durfte, töten würden, selbst wenn sie sie nur einer Verbindung zur Weißen Burg verdächtigten.
Sie schritten durch die Menschenmenge und schienen die offensichtliche Armut ihrer Umgebung überhaupt nicht wahrzunehmen. Die Menschen machten ihnen respektvoll Platz und erhielten zur Antwort manchmal ein dankendes Nicken und oft ein strengbigottes ›Wandelt unter dem Licht‹.
So ignorierte sie die Kinder des Lichts, so gut es möglich war, und machte sich daran, frisches Gemüse aufzutreiben. Doch als die Sonne ihren höchsten Punkt am Himmel erreicht hatte, hatten Elayne und sie getrennt zu beiden Seiten der Brücke den gesamten Ort abgegrast und lediglich ein kleines Bündel Süßerbsen aufgegabelt, ein paar winzige Rettiche, mehrere harte Birnen und einen Korb, in dem sie alles zurücktragen wollten. Vielleicht hatte sich Thom wirklich nach Gemüse umgesehen. Zu dieser Jahreszeit hätten die Karren und Verkaufsstände voll sein müssen mit der Ernte des Sommers, aber was sie hier sahen, waren meist Kartoffeln und Zwiebeln, die auch schon bessere Tage gesehen hatten. Wenn sie an all die verlassenen Bauernhöfe dachte, die sie auf dem Weg hierher passiert hatten, dann fragte sich Nynaeve, wie diese Menschen den Winter überstehen sollten. Sie schlenderte weiter.
Neben der Tür eines strohgedeckten Hauses, das den Laden einer Näherin beherbergte, hing ein Pflanzenbündel, das beinahe wie Besenkraut aussah. Winzige gelbe Blüten befanden sich daran, und die Stiele waren ganz mit weißen Bändern umwickelt.
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