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Die Feuer des Himmels

Die Feuer des Himmels

Titel: Die Feuer des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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hast mich lange nicht besucht, also nehme ich an, dich beschäftigt irgend etwas. Als du noch in meinem Kinderzimmer warst und auch später, bist du immer zu mir gekommen, wenn du mit einem Problem nicht fertig wurdest. Soll ich uns eine Kanne Tee bereiten?«
    »Lange nicht besucht, Lini? Ich besuche dich doch jede Woche, und das ist ein Wunder, so, wie du mit mir umgehst. Ich würde die höchststehende Lady Andors ins Exil schicken, wenn sie nur halb soviel sagte wie du.«
    Lini sah sie gelassen an. »Du hast meine Zimmer seit dem Frühling nicht mehr betreten. Und ich rede so wie immer; ich bin jetzt zu alt, um mich noch zu ändern. Möchtest du Tee?«
    »Nein.« Morgase faßte sich verwirrt an den Kopf. Sie besuchte Lini doch jede Woche. Sie erinnerte sich deutlich, daß sie... Nein, sie konnte sich nicht daran erinnern. Gaebril hatte ihre Stunden so vollständig ausgefüllt, daß es ihr manchmal schwerfiel, sich an etwas anderes als ihn zu erinnern. »Nein, ich möchte keinen Tee. Ich weiß selbst nicht, warum ich herkam. Du kannst mir bei meinem Problem sowieso nicht helfen.«
    Ihr altes Kindermädchen schnaubte, doch irgendwie brachte sie es fertig, daß selbst dieses Geräusch noch fein und damenhaft wirkte. »Dein Problem ist Gaebril, oder? Nur schämst du dich, mir das zu sagen. Mädchen, ich habe dir in der Wiege die Windeln gewechselt, ich habe dich gepflegt, wenn du krank warst und dein Magen rebelliert hat, und ich habe dir alles beigebracht, was du über die Männer wissen mußtest. Du hast dich nie geschämt, mit mir über etwas zu sprechen, und jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt für solche Neuerungen.«
    »Gaebril?« Morgase riß die Augen auf. »Das weißt du? Woher denn?«
    »O Kind«, sagte Lini traurig, »jeder weiß das, aber niemand hat den Mut, es dir zu sagen. Ich hätte es getan, wenn du dich nicht von mir ferngehalten hättest, aber ich konnte ja mit so etwas nicht zu dir gerannt kommen, oder? Das ist eben so eine Sache, die eine Frau nicht glauben kann, bis sie es von selbst herausfindet.«
    »Wovon sprichst du eigentlich?« wollte Morgase wissen. »Es war deine Pflicht, zu mir zu kommen, wenn du etwas wußtest, Lini. Es wäre jedermanns Pflicht gewesen! Licht, ich bin wohl die letzte, die etwas erfährt, und nun ist es vielleicht zu spät, um noch etwas zu ändern!«
    »Zu spät?« fragte Lini ungläubig. »Warum sollte es zu spät sein? Werft doch einfach Gaebril aus dem Palast und aus Andor hinaus, und schickt gleich Alteima und die anderen hinterher, dann ist die Sache erledigt. Zu spät -daß ich nicht lache!«
    Einen Augenblick lang verschlug es Morgase die Sprache. »Alteima«, brachte sie schließlich heraus, »und...
    die anderen?«
    Lini sah sie mit großen Augen an und schüttelte dann angewidert den Kopf. »Ich bin eine törichte alte Närrin. Mein Verstand ist ja wohl ausgetrocknet. Na ja, jetzt weißt du Bescheid. ›Wenn der Honig erst aus der Wabe ist, kann man ihn nicht zurückgießen. ‹« Ihre Stimme klang nun sanfter und doch gleichzeitig knapp und sachlich. So hatte sie mit Morgase gesprochen, als sie ihr sagte, ihr Pony habe sich das Bein gebrochen und müsse getötet werden. »Gaebril verbringt wohl die meisten Nächte mit dir, aber er widmet Alteima beinahe genauso viel Zeit wie dir. Für die anderen sechs bleibt ihm dann kaum mehr Zeit, aber immerhin. Fünf davon haben Zimmer im Palast, damit er schneller zu ihnen kommt. Eine, ein junges Ding mit ganz großen Augen, schmuggelt er herein und wieder hinaus, und selbst bei dieser Hitze muß sie sich immer in eine lange Robe hüllen. Vielleicht hat sie einen Ehemann. Es tut mir ja leid, Mädchen, aber das ist nun mal die Wahrheit. ›Besser, sich dem Bären zu stellen, als davor wegzurennen.‹«
    Morgase bekam weiche Knie, und wenn ihr Lini nicht ganz schnell einen Stuhl untergeschoben hätte, wäre sie wohl zu Boden gegangen. Alteima. Nun erschien es ihr in einem anderen Licht, daß er sie so gern beim Tratschen miteinander beobachtete. Ein Mann, der genüßlich seinen beiden Lieblingskatzen beim Spielen zusah. Und dann noch sechs andere! Zorn kochte in ihr hoch, ein Zorn, wie er nicht dagewesen war, als sie lediglich glaubte, er sei hinter ihrem Thron her. Da hatte sie noch kalt und nüchtern überlegen können, so gut das ihr eben in letzter Zeit möglich gewesen war. Das war eine Gefahr gewesen, der man mit kühlem Kopf entgegentreten konnte. Aber nun dieses! Der Mann hatte seine Geliebten in ihrem Palast

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