Die Feuer des Himmels
geradezu perfekt, und in der bequemen Hose zeichnete sich die Form seiner strammen Waden deutlich ab.
Sie atmete tief durch, und in ihrem Magen flatterten Schmetterlinge. Es war einfach nicht fair, wenn ein Mann ein so schönes Gesicht hatte.
Er trat näher und zwinkerte mit seinen dunklen Augen. Dann strich er mit seinen Fingern über ihre Wange. »Kommst du mit mir in den Wassergarten spazierengehen?« fragte er leise.
»Wenn Ihr beiden schmusen wollt«, sagte eine Frauenstimme knapp, »dann aber nicht hier.«
Egwene wirbelte mit weit aufgerissenen Augen herum und starrte Leane an, die mit der Stola der Behüterin um die Schultern und einem wohlwollenden Lächeln auf dem kupferfarbenen Gesicht hinter ihrem Schreibtisch saß. Die Tür zum Arbeitszimmer der Amyrlin war offen, und drinnen stand Siuan neben ihrem einfachen, hochglänzenden Schreibtisch und las, was auf einem langen Pergamentbogen geschrieben stand. Sie trug die gestreifte Stola ihres Amtes auf den Schultern. Das war der helle Wahnsinn!
Sie floh, ohne zu überlegen, welches Bild sie im Geist als Ziel formen wolle, und dann fand sie sich schwer atmend auf dem Anger von Emondsfeld wieder. Um sie herum standen die vertrauten strohgedeckten Häuser, und der Weinquellenbach ergoß sich von seinem Felsvorsprung auf die breite Grasfläche. In der Nähe des flinken, sich schnell verbreiternden Baches stand die kleine Schenke ihres Vaters, das untere Stockwerk aus Naturstein erbaut und das überstehende Obergeschoß weiß getüncht. »Das einzige Dach dieser Art in den ganzen Zwei Flüssen«, hatte Bran al'Vere oftmals von diesen roten Ziegeln behauptet. Die mächtigen Grundmauern mit der riesigen Eiche im Mittelpunkt, die sich in der Nähe der Weinquellenschenke erhoben, waren viel älter als die Schenke selbst. Manche Leute erzählten sich ja, irgendeine Art von Schenke habe schon seit mehr als zweitausend Jahren dort neben dem Weinquellenbach gestanden.
Närrin. Nachdem sie Nynaeve so eindringlich vor den Gefahren Tel'aran'rhiods gewarnt hatte, hätte sie sich nun beinahe in einem ihrer eigenen Träume fangen lassen. Aber warum ausgerechnet mit Galad? Sicher träumte sie auch gelegentlich von ihm. Ihre Wangen röteten sich. Sie war gewiß nicht in ihn verliebt, konnte ihn noch nicht einmal sonderlich gut leiden, aber er war schön, und in diesen Träumen war er viel mehr gewesen, als sie sich in Wirklichkeit von ihm wünschte. Viel häufiger träumte sie aber von seinem Bruder Gawyn, und das war genauso töricht. Was Elayne auch behaupten mochte, er hatte ihr gegenüber jedenfalls nie solche Gefühle gezeigt.
Es lag an diesem idiotischen Buch mit all jenen Liebesgeschichten. Sobald sie morgen erwachte, würde sie Aviendha das Ding zurückgeben. Und ihr sagen, sie nehme ihr das nicht ab, daß sie es nur der Abenteuer wegen gelesen habe.
Trotzdem verließ sie diesen Traum nur ungern. Zu Hause. Emondsfeld. Der letzte Ort, an dem sie sich noch wirklich sicher gefühlt hatte. Mehr als eineinhalb Jahre war es nun her, daß sie die Heimat das letzte Mal gesehen hatte. Doch alles schien noch so, wie sie es in Erinnerung hatte. Nein, nicht alles. Auf dem Anger standen zwei hohe Masten mit großen Flaggen daran. Auf der einen war ein roter Adler zu sehen und auf der anderen ein genauso roter Wolfskopf. Hatte Perrin irgend etwas damit zu tun? Sie konnte sich das eigentlich nicht vorstellen. Aber er war nach Hause zurückgekehrt, hatte Rand gesagt, und sie hatte mehr als einmal von ihm im Zusammenhang mit Wölfen geträumt.
Genug des untätigen Herumstehens. Es wurde Zeit...
Flackern.
Ihre Mutter trat aus der Schenke. Den ergrauten Zopf hatte sie über eine Schulter nach vorn gelegt. Marin al'Vere war eine schlanke Frau, sah immer noch gut aus und war überdies die beste Köchin an den Zwei Flüssen. Egwene hörte ihren Vater im Schankraum lachen, wo er sich wohl mit dem Rest des Rates der Gemeinde zusammengesetzt hatte. »Bist du immer noch draußen, Kind?« fragte ihre Mutter mit sanfter Mißbilligung und leichter Heiterkeit zugleich in der Stimme. »Du bist doch schon lange genug verheiratet, um zu wissen, daß du deinen Mann nicht merken lassen darfst, wie sehr du ihn vermißt.« Mit einem Kopfschütteln lachte sie auf. »Zu spät. Da kommt er schon.«
Egwene wandte sich eifrig um und blickte an den auf dem Anger spielenden Kindern vorbei zur Brücke hin. Deren Balken erzitterten und dröhnten, als Gawyn hinübergaloppierte. Vor ihr schwang er sich aus
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