Die Feuer des Himmels
durch Schenkeldruck als mit dem Zügel. Nur ein unnatürlich gerade verlaufender Streifen von großen Farnen, der sich über den von Blättern bedeckten Waldboden zog, deutete darauf hin, daß es hier jemals eine Straße gegeben hatte. Die zerfransten Farne welkten deutlich, und die Blätterschicht raschelte und knisterte trocken unter den Pferdehufen. Die dichten Äste gewährten ein wenig Schutz vor der Mittagssonne, doch kühl war es deshalb noch lange nicht. Schweiß rann über Mins Gesicht, und das trotz der gelegentlich auffrischenden Brise, die von hinten wehte.
Fünfzehn Tage lang waren sie nun schon von Lugard aus nach Südwesten geritten, nur von Siuans Hartnäckigkeit geleitet, die steif und fest behauptete, sie wisse genau, wohin sie sich begeben mußten. Natürlich sagte sie ihr nichts darüber. Siuan und Leane waren so verschlossen wie eine ausgelöste Bärenfalle. Min war sich nicht einmal sicher, ob Leane Bescheid wußte. Fünfzehn Tage, und die Dörfer und Städte wurden immer seltener, die Abstände zwischen ihnen immer größer, bis schließlich gar keine mehr kamen. Von Tag zu Tag waren Logains Schultern ein wenig mehr eingesunken, und Tag für Tag erschien diese Aura immer häufiger. Zuerst hatte er nur geknurrt, sie liefen hinter Irrlichtern her, doch Siuan hatte die Führung ohne Widerspruch von seiner Seite erneut an sich gerissen, während er immer mehr nach innen gekehrt erschien. Die letzten sechs Tage über schien er nicht mehr über die Energie zu verfügen, Interesse an ihrem Ziel zu bekunden oder auch nur zu fragen, ob sie es jemals erreichen würden.
Siuan und Leane unterhielten sich leise. Min konnte lediglich ein kaum hörbares Murmeln wahrnehmen, das möglicherweise der Wind in den Blättern verursacht hatte. Und wenn sie sich bemühte, näher an die beiden heranzureiten, sagten sie ihr lediglich, sie solle ein Auge auf Logain haben, oder sie sahen sie nur schweigend an, bis auch die letzte Närrin verstanden hätte, daß sie ihre Nase nicht in die Angelegenheiten anderer stecken solle. Das hatten sie bereits des öfteren praktiziert. Allerdings drehte sich Leane von Zeit zu Zeit im Sattel um und sah selbst nach Logain.
Schließlich nahm Leane Mondblume zurück und ritt neben seinem schwarzen Hengst einher. Die Hitze schien ihr nichts auszumachen. Nicht einmal ein leichter Glanz von Schweiß machte sich auf ihrem kupferfarbenen Gesicht bemerkbar. Min lenkte Wildrose zur Seite, um ihr Platz zu machen.
»Es dauert jetzt nicht mehr lang«, sagte Leane mit rauchiger Stimme zu ihm. Er blickte nicht auf. Sie beugte sich näher zu ihm hinüber und hielt sich an seinem Arm fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie drückte ihn regelrecht. »Noch eine kleine Weile, Dalyn. Ihr werdet Gelegenheit zu Eurer Rache bekommen.« Sein Blick war starr auf den Weg gerichtet.
»Selbst ein toter Mann würde noch besser aufpassen«, sagte Min, und das meinte sie auch fast wörtlich. Sie hatte sich alles gemerkt, was Leane tat, und abends hatte sie sich mit ihr ausführlich unterhalten und sie ausgefragt, ohne ihr zu sagen, warum. Sie würde sich nie so wie Leane bewegen können - es sei denn, ich trinke soviel, daß ich nicht mehr klar denken kann -, aber ein paar Fingerzeige könnten doch nützlich sein. »Vielleicht solltet Ihr ihn küssen?«
Leane warf ihr einen Blick zu, der einen reißenden Bach zum Gefrieren gebracht hätte, doch Min erwiderte ihn kaum. Sie hatte Leane gegenüber noch nie solche Probleme gehabt wie bei Siuan, oder jedenfalls nicht so viele, und die paar Unstimmigkeiten waren immer seltener geworden, seit die andere die Burg verlassen hatte. Und sie waren seltener geworden, seit sie begonnen hatten, sich über die Männer zu unterhalten. Wie könnte man sich von einer Frau einschüchtern lassen, die einem todernst versicherte, es gebe genau einhundertundsieben verschiedene Arten zu küssen und dreiundneunzig Arten, das Gesicht eines Mannes mit der Hand zu berühren? Leane schien diese Dinge aber tatsächlich zu glauben.
Min hatte den Vorschlag mit dem Kuß wirklich nicht als Neckerei aufgefaßt. Leane hatte ihre Flirtkünste an ihm erprobt, hatte ihn angelächelt, daß ihm der Dampf aus den Ohren strömen sollte, und das seit jenem Tag, als sie ihn zum erstenmal aus den Decken holen mußten. Vorher war er immer als erster draußen gewesen und hatte die anderen als Spätaufsteher gescholten. Min wußte nicht, ob Leane wirklich etwas für den Mann empfand, konnte aber
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