Die Feuer des Himmels
hörte, wie er dem Pferd zuschnalzte, und dann setzte sich das Gefährt schlingernd in Bewegung. Die Räder quietschten leicht, wenn sie gelegentlich über Schlaglöcher fuhren.
Der Spalt in der Plane hinten war gerade breit genug, daß Min beobachten konnte, wie sich hinter ihnen das Dorf entfernte, bis es ihrem Blick schließlich entschwand. Es wurde ersetzt durch Reihen von Hecken und eingezäunte Felder. Sie war immer noch zu betäubt, um mit den anderen zu sprechen. Siuans großartige Lebensaufgabe endete damit, daß sie Töpfe und Fußböden schrubbten. Sie hätte dieser Frau niemals helfen oder sie gar begleiten dürfen. Statt dessen hätte sie bei der ersten Gelegenheit nach Tear reiten sollen.
»Na also«, sagte Leane mit einemmal, »das hat sich heute ja gar nicht so schlecht entwickelt.« Sie sprach wieder in dem üblichen knappen Tonfall, doch etwas Erregung - freudige Erregung! - schwang darin mit, und ihre Wangen waren gerötet. »Es hätte besser laufen können, aber mit mehr Übung klappt das schon.« Ihr leises Lachen klang schon beinahe wie Kichern. »Es war mir überhaupt nicht klar, wieviel Spaß so etwas machen kann. Als ich spürte, wie sich sein Pulsschlag beschleunigte... « Einen Augenblick hielt sie ihre Hand genauso, wie sie sie auf Brynes Unterarm gelegt hatte. »Ich habe mich wohl noch nie so lebendig, so wach gefühlt. Tante Resara hat ja immer behauptet, die Jagd auf Männer mache mehr Spaß als die Falkenbeiz, aber das hatte ich bis heute nie richtig verstanden.«
Min hielt sich mühsam fest, um das Schwanken des Karrens auszugleichen, und blickte Leane mit großen Augen an. »Ihr müßt verrückt geworden sein«, sagte sie schließlich. »Für wie viele Jahre haben wir unseren Diensteid geschworen? Zwei? Fünf? Ich schätze, Ihr hofft, daß Ihr sie mehr oder weniger auf Gareth Brynes Schoß verbringen werdet? Also, ich hoffe ja, er wird Euch statt dessen übers Knie legen! Und zwar jeden Tag!« Leanes überraschter Gesichtsausdruck reichte nicht, um ihre Laune zu verbessern. Erwartete sie von Min, daß sie alles genauso ruhig hinnehmen werde wie sie selbst? Aber eigentlich war Min ja nicht auf Leane so wütend. So drehte sie sich zur Seite und funkelte Siuan zornig an. »Und Ihr! Wenn Ihr euch entschließt, aufzugeben, dann tut Ihr das wohl in ganz großem Stil! Dann spielt Ihr gleich das Schlachtopfer. Warum habt Ihr ausgerechnet diesen Eid gewählt? Licht, warum?«
Siuan entgegnete: »Weil genau der der einzige Eid war, bei dem ich sicher sein konnte, daß man uns danach nicht Tag und Nacht unter Bewachung halten würde, ob wir nun im Herrenhaus sind oder woanders.« Sie streckte sich auf den rauhen Planken des Karrenbodens ein wenig aus und ließ alles so selbstverständlich klingen, als sei es das Einfachste auf der Welt. Und Leane schien vollkommen mit ihr übereinzustimmen.
»Ihr habt vor, meineidig zu werden«, sagte Min nach einem Augenblick des erschrockenen Überlegens. Es kam als verängstigtes Flüstern heraus, und dabei blickte sie noch besorgt die Plane an, hinter der Joni verborgen saß. Sie glaubte aber nicht, daß er es gehört haben konnte.
»Ich werde tun, was sein muß«, sagte Siuan mit fester Stimme, wenn auch leise. »In zwei oder drei Tagen, wenn ich sicher sein kann, daß sie uns auch wirklich nicht mehr kontrollieren, fliehen wir. Ich fürchte, wir müssen Pferde stehlen, da unsere eigenen weg sind. Bryne dürfte gute Stallungen haben. Das werde ich bedauern.« Und Leane saß einfach nur da wie eine Katze mit Sahne auf den Schnurrbarthaaren. Ihr mußte dieser Plan von Anfang an klargewesen sein. Deshalb hatte sie nicht gezögert, den Eid abzulegen.
»Ihr würdet es bedauern, Pferde zu stehlen?« fragte Min heiser und sarkastisch. »Ihr plant, einen Eid zu brechen, den jeder bis auf einen Schattenfreund einhalten würde, und dann bedauert Ihr es, Pferde zu stehlen? Ich kann Euch beiden einfach nicht folgen. Ich kenne Euch beide ja überhaupt nicht!«
»Wollt Ihr im Ernst hierbleiben und Töpfe auskratzen?« fragte Leane mit ebenso leiser Stimme. »Und das, obwohl Rand dort draußen ist und Euer Herz in der Tasche trägt?«
Min starrte schweigend und zornig vor sich hin. Sie wünschte, die beiden hätten niemals herausbekommen, daß sie Rand al'Thor liebte. Manchmal wünschte sie sich, ihr selbst wäre das niemals klar geworden. Ein Mann, dem kaum bewußt war, daß es sie gab! Was er jetzt nicht mehr war, schien ihr genauso bedeutungsvoll, wie die
Weitere Kostenlose Bücher