Die Feuer des Himmels
für eine Aielfrau war. Sie knirschte mit den Zähnen und funkelte die Weisen Frauen an, denen es völlig egal zu sein schien, ob sie auf und ab hüpfend den Kältetod starb. Den Aielfrauen mochte es gleichgültig sein, ob ein Mann sie unbekleidet gesehen hatte, zumindest, wenn er Gai'schain war, doch ihr war es ganz und gar nicht gleich!
Nach einem Augenblick schloß sich Aviendha ihr an, allerdings ohne wildes Herumhüpfen. Sie gab sich gar nicht erst Mühe, ihre Kleider zu suchen. Die Kälte schien sie genausowenig zu beeindrucken, wie das bei den Weisen Frauen der Fall war.
»Also«, sagte Bair und legte sich ihren Schal um die Schultern. »Ihr, Aviendha, seid nicht nur so halsstarrig wie ein Mann, nein, Ihr erinnert Euch noch nicht einmal an eine einfache Aufgabe, die Ihr bereits viele Male erledigt habt. Ihr, Egwene, seid genauso stur wie sie, und Ihr glaubt immer noch, Ihr könntet in Eurem Zelt herumtrödeln, obwohl ihr herbeigerufen wurdet. Laßt uns hoffen, daß fünfzig Runden um das Lager Eure Sturheit etwas dämpfen, Euren Verstand klären und Euch daran erinnern, wie Ihr auf einen Befehl oder eine Arbeit zu reagieren habt. Lauft schon los!«
Wortlos und augenblicklich begann Aviendha, zum Rand des Lagerplatzes zu rennen. Sie wich leichtfüßig den durch die Dunkelheit gespannten Zeltschnüren aus. Egwene zögerte nur einen Moment und folgte ihr dann. Die Aielfrau lief langsam genug, damit Egwene sie einholen konnte. Die Nachtluft ließ sie vor Kälte erstarren, und der steinige Lehmboden unter ihren Füßen war genauso kalt und versuchte ständig, sie zum Straucheln zu bringen. Aviendha lief mit der mühelosen Leichtigkeit langer Übung.
Als sie am letzten Zelt vorbeikamen und sich nach Süden wandten, sagte Aviendha: »Weißt du, warum ich mir soviel Mühe beim Lernen gebe?« Weder Kälte noch Anstrengung machten sich in ihrer Stimme bemerkbar.
Egwene zitterte beim Rennen so stark, daß sie kaum sprechen konnte: »Nein. Warum?«
»Weil Bair und die anderen dich mir immer vorhalten, weil sie mir sagen, wie leicht du lernst und daß man dir niemals etwas zweimal erklären müsse. Sie sagen, ich solle mehr wie du sein.« Sie warf Egwene einen Blick aus den Augenwinkeln zu, und Egwene ertappte sich dabei, wie sie gemeinsam mit Aviendha beim Weiterlaufen kicherte. »Das ist jedenfalls ein Teil der Begründung. Die Dinge, deren Gebrauch ich erlernen will...« Aviendha schüttelte den Kopf, und selbst im Mondschein war ihr Erstaunen leicht zu erkennen. »Und dann die Macht selbst. Ich habe mich noch nie zuvor so gefühlt. So lebendig. Ich kann die schwächsten Gerüche noch wahrnehmen und die leichteste Luftbewegung spüren!«
»Es ist aber gefährlich, zu lange daran festzuhalten oder zuviel der Macht an sich zu ziehen«, sagte Egwene. Das Laufen schien ihren Körper ein wenig zu erwärmen, doch von Zeit zu Zeit überlief sie immer noch ein Schaudern. »Ich habe dir das schon früher gesagt, und ich weiß, daß dich auch die Weisen Frauen gewarnt haben.«
Aviendha schnaubte lediglich. »Glaubst du, ich würde mir mit einem Speer in den eigenen Fuß stechen?«
Eine Weile rannten sie schweigend nebeneinander her.
»Hat Rand wirklich...?« begann Egwene schließlich stockend. Die Kälte hatte nichts mit ihren Schwierigkeiten zu tun, die richtigen Worte zu finden. Sie begann auf der Stelle wieder zu schwitzen. »Ich meine... Isendre?« Sie konnte sich nicht dazu bringen, es deutlicher zu sagen.
Schließlich sagte Aviendha bedächtig: »Ich glaube nicht, daß er es getan hat.« Es klang zornig. »Aber warum ignoriert sie ständig sämtliche Peitschenhiebe, wenn er kein Interesse an ihr gezeigt hat? Sie ist eine FeuchtländerSchlampe, die nur darauf wartet, daß die Männer ihr zulaufen. Ich habe gesehen, wie er sie angeschaut hat, obwohl er versuchte, es zu verbergen. Ihm hat es recht gut gefallen, sie anzusehen.«
Egwene fragte sich, ob ihre Freundin jemals auch von ihr als einer Feuchtländer-Schlampe dachte. Wahrscheinlich nicht, sonst wären sie keine Freundinnen. Doch Aviendha hatte niemals gelernt, sich zu fragen, ob das, was sie sagte, jemandem weh tun könne. Sie wäre womöglich äußerst überrascht, zu erfahren, daß Egwene auch nur daran dachte, sich durch ihre Bemerkungen verletzt zu fühlen.
»So ausgezogen, wie die Töchter sie herumlaufen lassen«, gab Egwene zögernd zu, »würde jeder Mann hinschauen.« Was sie daran erinnerte, daß auch sie sich gerade ohne jedes Kleidungsstück im
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