Die Feuer von Córdoba
ein Lob oder eine Beförderung eingebracht hätte, hätten sie vermutlich sogar ihre eigene Schwester oder Ehefrau als Hexe verleumdet. Es war widerlich.
Karl V. stand am Fenster und starrte hinaus in den Garten .
»Ich muss mich erneut bei Euch für Eure Besonnenheit und Umsicht bedanken, Señora Anne«, sagte er schließlich. »Ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn Ihr mich nicht unterbrochen hättet.«
»Vergebt mir meine Offenheit, Sire, aber vermutlich hättet Ihr Euch um Kopf und Kragen geredet«, erwiderte Anne. Sie mochte den Kaiser. In den Wochen, seit sie für ihn arbeitete, hatte sie zunehmend sein Vertrauen und auch seine Sympathien gewonnen. Mittlerweile verband sie ein fast freundschaftliches Verhältnis. »Diese Diener der Inquisition sind gefährlich, ganz egal, ob sie dumm oder klug, von niederer oder hoher Herkunft sind. Und dieser Kerl eben …« Sie erschauerte .
»Er wartete nur darauf, einen Kaiser auf den Scheiterhaufen zu bringen. Wahrscheinlich hätte es ihm eine saftige Belohnung eingetragen!« Karl V. schüttelte vor Abscheu den Kopf. »Aber angesichts dieses Briefes ist mir in der Tat die Galle übergegangen. Ich hatte geglaubt, dieser Wahnsinn habe nun endlich ein Ende, aber … Doch lest selbst!«
Er streckte Anne das Pergament entgegen. Sie fröstelte, als sie Giacomos Schrift erkannte. Dieselbe steile kleine Schrift, mit der er ihr in Florenz Einladungen geschrieben hatte, damals , als sie Giacomo de Pazzi noch für einen Freund gehalten hatte, dem sie vertrauen konnte. Ihren Irrtum hatte sie erst erkannt, nachdem sie sein Tagebuch gelesen hatte. Zu spät, viel zu spät. Manchmal fragte sie sich, wie sich die Dinge wohl entwickelt hätten, wenn sie Giacomo von Anfang an misstraut hätte. Wäre Giuliano de Medici, damals in Florenz ihr Verlobter, trotzdem gestorben? Doch – wie sagte Cosimo immer? – »Das Rad des Schicksals lässt sich nicht ungestraft aufhalten.«
Hastig überflog sie die Zeilen.
»… Eure Majestät, habe endlich die Aufrührer ausgemacht , die für die Flucht so vieler der Ketzerei verdächtigter Personen in den vergangenen Wochen und Monaten verantwortlich sind. Es handelt sich um einen Pferdezüchter und seinen Sohn. Diese Höllenbrut hat irgendwo außerhalb der Stadt Unterschlupf gefunden. Wir werden das Nest innerhalb der nächsten Tage aufstöbern und ausheben . Außerdem widmen wir uns einer Hexe, die in den Bergen haust und nicht davor zurückscheut, ihr Gift in der Stadt zu versprühen. Sie selbst nennt sich Mutter Maddalena und erscheint unbedarften Gemütern als Nonne. Doch in Wahrheit ist sie mit dem Teufel im Bunde, wie ich aus sicheren Quellen weiß, und hat bereits zahllose unschuldige Seelen verdorben. Da somit in der nächsten Zeit die wichtigsten aller bisher stattgefundenen Prozesse auf uns zukommen, ersuche ich Eure Majestät noch so lange in Córdoba zu bleiben, bis auch der Letzte von ihnen seine gerechte Strafe erhalten hat. Da ich Eure Liebe zu Gott und Eure Treue der heiligen Mutter Kirche gegenüber kenne , bin ich sicher, dass Ihr meiner bescheidenen Bitte folgen werdet.
Es grüßt Euch im Namen des Herrn
Seine Exzellenz Pater Giacomo, OP, Inquisitor der Stadt Córdoba …«
Anne ließ das Pergament sinken. Sie fühlte sich plötzlich schwach.
»Aber das ist ja furchtbar!«, hauchte sie.
»Ja, nicht wahr?«, stieß Karl V. hervor und starrte mit grimmiger Miene in den Garten hinab. »Da glaubt man, man hat dieses ganze entsetzliche Spektakel nun endlich hinter sich, da erschließt dieser Kerl sich neue Fanggründe. Wie Reiter auf einem Sturm werden sie über die ganze Gegend hinwegfegen und alle Dörfer, selbst die entlegensten Winkel der Berge durchsuchen. Und dann wird es weitergehen.« Er stützte sich schwer auf die Fensterbrüstung auf und schüttelte den Kopf. »Es ist noch lange nicht genug Blut geflossen, um seinen unersättlichen Durst zu stillen. Dieser Mensch ist wahnsinnig . Und wenn er nicht die Ordenskleidung der Dominikaner und den Titel des Inquisitors tragen würde, ich hätte ihn schon längst einsperren lassen. Ich komme mir vor wie ein Schmiedelehrling, der mit dem Blasebalg die Esse seines grausamen Meisters anheizt, der statt mit Holz mit Menschen feuert. Der Gestank von brennendem Fleisch klebt an meinen Kleidern, auf meiner Haut, in meinen Haaren. Ich rieche ihn sogar in der Nacht in meinen Träumen. Und die Schreie der Sterbenden verfolgen mich bei Tag und bei Nacht – sofern die Folter ihnen
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