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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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emporgelodert, und der Himmel hatte sich mit beißendem dunklem Rauch zugezogen, als wollte die Sonne ihr Antlitz vor dem furchtbaren Schauspiel verbergen. Die Nonnen schrien vor Schmerzen , sie kreischten vor Angst, sie weinten und jammerten. Nicht so Mutter Maddalena. Folter und Verhöre hatten sie derart geschwächt, dass sie dazu nicht mehr in der Lage war. Selbst als das Feuer bereits ihre Kleider erfasst und an ihren Beinen geleckt hatte, entrang sich ihrer Brust nur ein schwaches Stöhnen, das im Tosen der Flammen fast unterging . Doch ihr Gesicht wurde von dem Feuer beschienen, und Stefano konnte sehen, dass sich ihre Lippen bewegten, als würde sie beten. Er konnte nicht länger hinschauen und ließ stattdessen den Blick über die Menge schweifen, die erstaunlich ruhig dem makabren Schauspiel beiwohnte. Gewöhnlich gab es Gaukler, Musiker und Händler, die jede Hinrichtung zu einem regelrechten Volksfest machten. Doch an diesem Tag war außer gedämpftem Gemurmel, dem Knistern der Holzscheite und den Schreien der Verurteilten kaum etwas auf dem großen Marktplatz zu hören gewesen. Auf einigen Gesichtern hatte Stefano sogar Tränen glänzen sehen.
    Der Kaiser hatte kerzengerade und mit unbewegtem Gesicht auf seinem Platz neben dem Inquisitor gesessen. Es war nicht zu erkennen gewesen, ob er die brennenden Scheiterhaufen mit den an die Pfähle gebundenen Körpern wirklich gesehen oder aber einfach nur in die Richtung gestarrt hatte. Aber die Wut und der Abscheu in seinen klaren blauen Augen waren deutlich gewesen, und Stefano war sicher, dass auch Karl V. zumindest vermutete, dass das Geständnis nicht von Mutter Maddalena selbst stammte. Zwei Stunden lang hatte der entsetzliche Todeskampf gedauert. Dann endlich, genau zur Mittagsstunde, als die Glocken der Kathedrale zum Angelus läuteten, war es vorbei gewesen. Mutter Maddalena war gestorben.
    Stefano erschauerte. In den vergangenen drei Tagen hatte er täglich zweimal gebadet, er hatte sich das Haar gewaschen und seinen Körper mit Bürsten abgeschrubbt, bis die Haut blutig war und selbst die leichte Berührung seiner Kutte wehtat . Trotzdem hatte er immer noch das Gefühl, dass der Geruch von brennendem Fleisch an ihm haftete. Vielleicht war das sein Kainsmal. Vielleicht war er dazu verurteilt, bis ans Ende seiner Tage diesen Geruch mit sich herumzutragen. Als abschreckendes Beispiel für jeden, der wie er nur zusah, wenn Unschuldige hingerichtet wurden.
    »Was ist mit dir, Stefano?«, fragte Pater Giacomo. Seine Stimme klang so dicht neben seinem Ohr, dass Stefano erschrocken zusammenfuhr. Leise und lauernd wie eine Spinne war er an ihn herangetreten. »Du bist heute so still.«
    Stefano hatte die Anwesenheit des Inquisitors vergessen. Egal, was geschehen war, er war immer noch sein Mentor, sein Lehrer. Von ihm hatte er sein ganzes Wissen, jede seiner Fähigkeiten, er hatte ihn im Glauben unterwiesen. Aber hatte Pater Giacomo ihm auch sein Herz und sein Gewissen gegeben ? Er wusste nicht, was er glauben sollte, er verstand seine Welt nicht mehr. Und anstatt Pater Giacomo nach Kräften zu unterstützen, so wie er es immer getan hatte, fragte er sich nur, ob der Inquisitor nach seinem heimlichen Besuch in Mutter Maddalenas Verlies auf brutale Weise dafür gesorgt hatte, dass sie nichts mehr über seinen Betrug erzählen konnte . Und ob das der wahre Grund für die Blutspuren in ihrem Gesicht gewesen war.
    »Nichts, Pater, gar nichts«, sagte Stefano leise. »Ich habe gerade gebetet, Pater.«
    Das war eine Lüge. Seit drei Tagen hatte er nicht mehr gebetet, seit drei Tagen schien sein Herz nur noch ein großes schwarzes Loch zu sein. Jeder Glaube, jede Hoffnung darin schien für immer ausgelöscht. Und er schämte sich dafür.
    »So, gebetet? Was denn?«
    Stefano wandte seinen Blick dem Inquisitor zu. Er sah in die kalten braunen Augen. Sie schienen ihn durchbohren und die Wahrheit aus ihm heraussaugen zu wollen. Sollten sie es ruhig versuchen. Er war ohnehin leer und hohl wie eine taube Nuss.
    »Den Engel des Herrn, Pater«, antwortete er.
    Pater Giacomos Augen verengten sich. »Gut, Stefano, sehr gut«, sagte er. Dann sah er selbst aus dem Fenster und seufzte . »Ich weiß, was du denkst. Ich sehe den Abscheu in deinen Augen, ich erkenne, dass dich die Verhöre anwidern und der Geruch von brennendem Fleisch dir Übelkeit bereitet. Glaubst du etwa, mir würde es anders ergehen? Diese Verhaftungen , Verhöre und Prozesse rauben mir meine ganze Kraft. Sie

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