Die Feuer von Córdoba
Leben lang allen fleischlichen Genüssen entsagen – wozu selbstverständlich auch eine gute Mahlzeit gehörte . Natürlich wurde er, der Kaiser, nicht in das Fasten mit einbezogen. Ihm wurden die besten Speisen und Weine aus dem bischöflichen Keller kredenzt, und die Besitzer dieser Köstlichkeiten saßen ihm dann an der Tafel gegenüber und kauten an trockenen Brotkanten, während ihre Augen voll gierigem Verlangen auf seinen Teller starrten und ihm jeden einzelnen Bissen neideten.
Karl V. seufzte. Er hätte sich gewünscht, bei einem Adligen einzukehren. Kein vornehmer, selbstverliebter und geltungssüchtiger Geck, beileibe nicht. Das wäre fast noch schlimmer gewesen als ein frommer Bischof. Nein, ein schlichter Adliger von vornehmer Bildung und zurückhaltendem Geist, ein gläubiger Mann mit einem liebevollen Eheweib und einer Hand voll Kindern, die eine anständige Tafel liebten und sich nicht schämten, sie mit ihrem Herrscher zu teilen. Ein Mann, der sich ebenso für die Pferdezucht und die Falknerei begeistern konnte wie er selbst. Ein Mann, mit dem er vielleicht sogar an einem Tag seines Aufenthalts auf die Jagd gehen konnte. Einmal, und sei es nur für wenige Tage, an einem Leben teilhaben, wie er es sich selbst in seinen kühnsten Träumen ausmalte. Aber dieser Wunsch würde wohl auf ewig unerfüllt bleiben.
Nun, man kann nie wissen, dachte Karl V. und schnalzte mit der Zunge. Vielleicht würde es hier in dieser Stadt anders sein. Er war schließlich noch nie zuvor in Córdoba gewesen. Vorsichtshalber hatte er nicht nur sein Pferd, sondern auch seinen Lieblingsfalken mitgenommen.
Die Soldaten und die Kutsche passierten das Tor. Karl V. sah nicht hinaus, aber er hörte es am Klang der Räder, die jetzt nicht mehr über die staubige Straße, sondern über Steine fuhren. Er hörte es an den Rufen »Der Kaiser kommt! Es lebe der Kaiser! Carlos! Carlos!« und an dem Klappern von Holzschuhen – Männer und Frauen, die versuchten mit den Soldaten und der Kutsche Schritt zu halten, um wenigstens einen kurzen Blick auf den Kaiser zu erhaschen. Und er hörte es an den barschen Befehlen und Zurechtweisungen, mit denen die Soldaten die aufgeregten Menschen von der kaiserlichen Kutsche fern hielten.
Jetzt bedauerte Karl V. seine Entscheidung, in der Kutsche geblieben zu sein. Viele der Einwohner hier in Córdoba waren einfache, schlichte Menschen, die mit Schweiß und Tränen ihr tägliches Brot bezahlten. Sie gehörten zu seinem Volk, auf jeder einzelnen ihrer Schultern gründete sich das Reich. Er hatte kein Recht, sich ihnen zu entziehen.
Er schob den Riegel zurück und öffnete die Luke. Sofort wurden die Stimmen lauter. Die Menschen winkten und schrien vor Begeisterung. Eine Mutter hielt ihm ihr erst wenige Wochen altes Baby entgegen, als würde sie seinen Segen erwarten. Karl V. lächelte, winkte zurück – und sah das fassungslose Staunen über das eigene Glück in den Augen der Menschen. Es brach ihm fast das Herz.
Auf dem Platz vor dem Bischofspalast wurde die Kutsche langsamer und hielt schließlich an. Die Menschenmenge war mittlerweile angeschwollen. Sie drängten näher heran, um nur ja einen Blick auf den Kaiser zu erhaschen, und die Soldaten hatten alle Hände voll zu tun, die aufgeregten Leute zurückzuhalten. Die bischöfliche Leibgarde kam ihnen dabei tatkräftig zu Hilfe, und gemeinsam schafften sie es, einen Korridor von mindestens fünfzehn Fuß Breite freizuhalten, der bis zu der Treppe reichte, die zum Bischofspalast hinaufführte .
Karl V. ordnete seine Kleider und wartete darauf, dass einer der Soldaten den Verschlag öffnete. Natürlich hätte er es auch selbst tun können, doch seitdem er wusste, dass die jungen Burschen zuvor darum würfelten, wem von ihnen diese Ehre zukam, ließ er ihnen stets dieses Vergnügen.
Der Verschlag öffnete sich, die kleine Trittleiter wurde herangeschoben, und Karl V. stieg bedächtig und würdevoll die drei Stufen hinab. Diesmal hatte ein besonders junger Mann das Würfelspiel gewonnen. In vorbildlicher Haltung, die Augen geradeaus, stand er neben der Kutsche . Nur seine hochroten Ohren, die wie zwei prachtvolle Mohnblüten rechts und links unter seiner Mütze hervorschauten , verrieten seine Aufregung. Karl V. bedankte sich mit einem Nicken und einem Lächeln bei dem jungen Mann, wodurch sich das Rot von den Ohren ausgehend über das ganze Gesicht ausbreitete. Am liebsten hätte Karl V. dem Burschen auf die Schulter geklopft, aber er
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