Die Feuer von Eden
der jungen Männer mochte August Stanton sein, der verstorbene Gatte der Witwe Stanton. Der andere junge Mann mochte Mr. Taylor sein. Ich erschauerte unwillkürlich, als ich mich erinnerte, daß man Mr. Stanton vollkommen ausgeblutet aufgefunden hatte, und daß Mr. Taylors Dahinscheiden damit einherging, daß sein Schädel »mit dem Geräusch einer Kokosnuß, die man in zwei Hälften spaltete«, zersplittert war. In ihrer Geistergestalt sah man ihnen nichts von diesem Martyrium an, obgleich um ihre Augen herum eine gewisse Abgeklärtheit zu erkennen war, von der sich nicht sagen ließ, ob sie sie schon im Leben besessen hatten.
Mr. Clemens nickte abermals, und ich hätte um ein Haar laut aufgeschrien, als ich den nächsten Redner an der Kanzel erkannte. Reverend Haymarks Leibesfülle war unbekleidet ebenso eindrucksvoll, wie sie das unter den diversen Lagen und Aberlagen seiner Missionarsgewänder gewesen war. Unser ehemaliger Gefährte stützte mit der Ungezwungenheit eines Menschen, der mit der Kanzel vertraut war, die Hände auf den Rand des Felsens, beugte sich mit seinem ganzen Gewicht vor und begann mit seinen Lippen, unhörbare Platitüden zu formen. Die versammelte Gemeinde lauschte in geistesabwesender Trägheit, wie es wohl an einem warmen Sonntag in jeder Presbyterianer-Kirche ein vertrauter Anblick ist.
Mr. Clemens preßte seine Lippen an mein Ohr, damit sein Flüstern nicht belauscht werden konnte. »Wie sollen wir ihn in die Kokosnuß schaffen?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wie wir an dem Eber vorbeikommen sollten. Um Zugang zu jener Seitenhöhle zu erlangen, würde einer von uns oder wir alle beide über die Schnauze des Ungetüms hinwegsteigen müssen. Die bloße Vorstellung ließ mich erschaudern.
So als läse er meine Gedanken, beugte sich mein Gefährt abermals zu mir und flüsterte: »Sie bleiben hier. Ich werde versuchen, zu Reverend Haymark zu gelangen.«
Ich antwortete, indem ich Mr. Clemens’ Oberarm ergriff und nachdrücklich den Kopf schüttelte. Mittlerweile näherten sich uns, dem Gestank unseres trocknenden Öls zum Trotz, immer mehr Geister, und die Vorstellung, allein zurückzubleiben, während sich diese toten Wesen um mich drängten, war mir unerträglich.
Mr. Clemens nickte verständnisvoll, und wir begannen die vorsichtige Wanderung an dem schnarchenden Eber vorbei. Der Höhlenboden unter unseren Füßen war uneben, und ich spürte, wie das Grauen in mir wuchs, bei der Vorstellung, unvermittelt das Gleichgewicht zu verlieren und auf den borstigen Koloß zu stürzen. Bei näherem Hinsehen war der Eber sogar noch gewaltiger, als ich aus der Entfernung geschätzt hatte; er mochte gut und gern eine Tonne wiegen. Das Ungetüm glich einem kleinen Elefanten mit der borstigen Haut und dem abscheulichen Kopf eines Ebers. Als wir die Stelle erreichten, an der wir über eben jenen Kopf hinwegsteigen mußten, erkannte ich mit einem plötzlichen Schwindelgefühl, daß das schlafende Untier eine Vielzahl von Augenlidern besaß... nicht zwei oder vier, sondern wenigstens acht. Ich erhaschte einen Blick auf mattschwarze Augäpfel unter jenen gesenkten Lidern, und einen Moment lang war ich überzeugt, daß das Ungeheuer seinen Schlaf nur vortäuschte, um uns näher heranzulocken. Noch während ich meinen nackten Fuß über die Schnauze hob und den gräßlichen, warmen Atem an meiner Fußsohle spürte, sah ich vor meinem geistigen Auge, wie das Ungetüm plötzlich die Augen aufschlug, sein Maul aufriß und seine allzu menschlichen Zähne in meinen Knöchel grub; ich konnte das Knacken und Reißen von Fleisch und Knochen hören, während der Eber meinen Fuß in einem einzigen Bissen verschluckte und dann seinen faßgroßen Kopf hob, um auch noch den Rest meines Beins zu verschlingen...
Mr. Clemens fing mich auf, bevor ich ohnmächtig wurde. In dem plötzlichen Schwindel, der mich ergriffen hatte, war ich wankend auf den borstigen Rücken des Ebers heruntergesackt, und nur der starke linke Arm des ehemaligen Flußkapitäns hatte mich aufrechtgehalten. Fest umgefaßt wie eine Tänzerin in einer langsamen Pirouette, fand ich meine Fassung und mein Gleichgewicht wieder.
Wir stiegen über den Eber hinweg und waren in der tiefen Nische in der Höhlenwand. Wenn wir das Ungetüm jetzt aufweckten — und mir wurde mit einem Schlage bewußt, daß der Geruchssinn eines Ebers äußerst empfindlich war und daß er zweifelsohne von unserem Gestank aufwachen müßte —, wären wir mit
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