Die Feuer von Eden
wer all die Gäste hier umgebracht hat?« bemerkte Cordie.
»Nein«, erwiderte Paul und schaute auf seine Uhr. »Man bezahlt mich, damit ich etwas über die Petroglyphen hier erzähle. Und unsere Zeit ist um.«
Die drei schlenderten über den Asphaltweg, der sich zwischen den schwarzen Felsen entlangschlängelte, weiter. Ihnen war den ganzen Nachmittag über nicht ein einziger Jogger begegnet. »Erzählen Sie uns von Milu und dem Eingang zur Unterwelt«, bat Eleanor.
Der Kurator blieb stehen und zog eine Augenbraue hoch. »Sie kennen sich ganz gut mit den lokalen Mythen und Legenden aus.«
»Nicht wirklich«, erwiderte Eleanor. »Ich glaube, ich habe das über die Unterwelt in demselben Aufsatz gelesen, in dem Mark Twains Besuch hier erwähnt wurde. Der Eingang ist hier irgendwo in der Nähe, oder nicht?«
Bevor Paul Kukali antworten konnte, schnippte Cordie mit den Fingern. »Das ist es... jetzt haben wir alle Gründe, weshalb diese Leute verschwunden sind, zusammen. Das Hotel wurde auf einer alten hawaiischen Begräbnisstätte gebaut. Nicht nur das, es ist der Eingang zur... wie nannten Sie es noch... zur Unterwelt. Die alten Götter und Geister und was sonst noch wurden sauer und spuken hier herum und schnappen sich die Gäste, um sie in den Tunneln zu verspeisen. Das würde einen tollen Film abgeben. Verflixt, ich hab eine Freundin, die kennt eine, die mit einem Hollywoodproduzenten verheiratet ist. Wir könnten denen die Geschichte verkaufen.«
Paul schmunzelte. »Tut mir leid, aber das hier war keine besondere Begräbnisstätte. Und die Unterwelt, von der Eleanor sprach, hatte angeblich nur einen einzigen Eingang nahe der Küste, im Waipio Valley, und das liegt uns diametral gegenüber, ganz auf der anderen Seite der Insel. Stunden von hier entfernt.«
»Ach, Mist«, sagte Cordie. Sie nahm die Sonnenbrille ab und putzte sie mit einem Zipfel ihres geblümten Strandkleids. »Das war’s dann ja wohl mit den Filmrechten.«
Eleanor blieb stehen. »Gab es nicht noch einen zweiten Eingang zu Milus Unterwelt? Eine Hintertür? Die müßte dann an diesem Küstenabschnitt liegen, oder nicht?«
»Laut Mark Twain vielleicht«, erwiderte der Kurator, seine Stimme tonlos. »Wenn man nach der Mythologie unseres Volkes geht, dann gab es nur einen Eingang, und der wurde von Pele nach einer großen Schlacht mit den dunklen Göttern versiegelt. Keiner der Dämonen oder bösen Geister... und auch nicht viele Gespenster... haben noch irgend jemanden belästigt, seit sie jene Tür verschlossen hat. Ich denke, am Ende hängt es davon ab, wem Sie mehr glauben... den Hawaiianern, die diese Geschichte erfunden haben, oder Mark Twain, der hier ein paar Wochen zu Besuch war und sie aus zweiter Hand gehört hat.«
»Ja, davon hängt es wohl ab«, bemerkte Eleanor. Sie sah auf ihre Uhr. »Es ist schon fast drei. Wir haben Sie wirklich über Gebühr in Anspruch genommen, Paul. Aber es hat Spaß gemacht.«
»Ja«, pflichtete Cordie bei. »War wirklich ‘ne klasse Tour. Ganz besonders hat mir das Bild von dem Kerlchen mit dem pfeilförmigen Pillermann gefallen.«
Sie hatten sich wieder zur Big Hale umgewandt, schlenderten plaudernd weiter und zeigten auf einige der pittoreskeren Felszeichnungen am Wegrand, als der große schwarze Hund sich aus den schwarzen Felsen löste und auf den Joggingpfad gelaufen kam. Er starrte die drei schwanzwedelnd an. In seinem Maul hielt er eine Menschenhand.
Kapitel 10
In der Zwischenzeit habe ich den Vesuv gesehen, doch im Vergleich hierzu war er ein bloßes Spielzeug, ein Kindervulkan, ein Suppenkessel.
Mark Twains Beschreibung des Kilauea
14. Juni 1866, am Kilauea-Vulkan
Wir erreichten das Volcano House am Rand des Kraters gegen zehn Uhr abends. Der Ritt dorthin war atemberaubend, denn der blutrote Schein des aktiven Vulkans beleuchtete die niedrighängenden Wolken, so daß das scharlachrote Licht auf unsere gesamte Gruppe fiel und die Augen der Pferde wie Rubine glommen und unsere unbedeckten Körperstellen aussahen, als wären sie gehäutet. Eine halbe Stunde bevor wir das Volcano House sahen, trieb der Wind uns den Geruch von Schwefel zu. Ich band mir einen Schal vor das Gesicht, doch ich bemerkte, daß Mr. Clemens gänzlich unberührt von dem Gestank schien. »Macht Ihnen der Geruch nicht zu schaffen?« fragte ich. »Für einen Sünder ist das kein unangenehmer Duft«, gab er zurück. Für den Rest des Aufstiegs ignorierte ich ihn.
Ich bemerkte, daß ich wohl schon
Weitere Kostenlose Bücher