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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aber... meine Güte, Will.«
    Will Bryant sah seinen Boß an und reichte ihm das Handy. »Das war kein Scherz. Sie sollen Hastings umgehend zurückrufen. Er sagt, wir sollten das Hotel noch heute nacht evakuieren.«
     
     

Kapitel 13
    Zu der Zeit, als die Erde heiß wurde
Zu der Zeit, als der Himmel sich wendete
Zu der Zeit, als die Sonne sich
verdunkelte
Auf daß der Mond scheine
Der Zeit, als das Siebengestirn erstrahlte
Der Schleim, das war die Quelle...
     
    Kumulipo, Schöpfungsgesang
     
     
    Eleanor hätte Cordie Stumpf und Paul Kukali beinahe nicht in die Katakomben hinunter begleitet.
    Das Abendessen war nett gewesen, trotz — oder vielleicht gerade wegen — des Gewitters, das jenseits der lanai tobte, und der Sturmlampen mit ihrem warmen Kerzenlicht. Als etwa eine Stunde später der Strom wieder anging, blinzelten die wenigen Essensgäste auf der Terrasse im relativ grellen Schein der wenigen weichen Glühbirnen. Zuerst schien Paul nur ungern über die verschiedenen Mythen zu sprechen, nach denen Eleanor ihn gefragt hatte, doch als er erkannte, daß die Geschichtsprofessorin aus Oberlin ihm ohne jegliches Anzeichen von Überheblichkeit zuhörte, hatte er sich sichtlich für das Thema erwärmt. Er erklärte den Unterschied zwischen moolelo — der mündlichen Überlieferung von den Taten der Götter, so mächtig, daß sie nur bei Tageslicht rezitiert werden konnte — und kaao, einfachen Lügengeschichten von menschlichen Helden, die des Nachts am Lagerfeuer erzählt wurden. Er sprach über die Hierarchie des hawaiischen Animismus: Die amakua, oder auch wichtigen Familiengötter; die kapua, oder auch die Kinder der Götter, die unter den Sterblichen wandeln, so wie einst Herkules und die anderen griechischen Halbgötter; die akua lapu, die wie die Geister der amerikanischen Ureinwohner auf dem Festland nichts weiter taten, als die Menschen zu erschrecken und von bevorstehenden Unglücken zu künden; und die akua li’l — wörtlich übersetzt: »die kleinen Geister« —, die als beseelte Verkörperungen von Bäumen, Wasserfällen, Wetterlagen und allen anderen Aspekten der Natur den schier endlosen hawaiischen Pantheon abrundeten.
    »Es hat alles mit mana zu tun«, erklärte Paul und trank einen Schluck Kaffee, während die letzten Teller abgeräumt wurden. »Das Stehlen von mana, das Erhalten von mana und das Aufspüren neuer Quellen von mana.«
    »Macht«, sagte Cordie, die fasziniert zugehört hatte.
    »Ja. Macht für den einzelnen. Macht über andere. Macht über die Umwelt.«
    Cordie schnaubte vielsagend. »Daran hat sich über die Jahre nicht viel geändert.«
    Die Kellnerin, eine dicke Hawaiianerin mit verkniffenem Gesicht und dem Namensschild »Lovey« an ihrem muu-muu, fragte, ob sie noch einen Nachtisch wollten. Eleanor und Paul lehnten ab. Cordie sagte: »Na klar«, und die drei lauschten, während die Kellnerin ihre Litanei herunterspulte. Es gab eine Vielzahl exotischer Desserts, die meisten davon mit Kokosnuß als Hauptzutat, aber Cordie entschied sich für einen Eisbecher... mit Kokosraspel. Als er kam, mußte Eleanor schmunzelnd feststellen, daß sie wünschte, sie hätte sich ebenfalls einen Eisbecher bestellt. Statt dessen fragte sie Paul: »Und wo paßt da jemand wie Ku ins Bild?«
    Der Kurator stellte seine Kaffeetasse ab. »Ku ist einer der ältesten polynesischen Götter und kam mit den ersten Hawaiianern im Kanu hierher. Er ist der Gott des Krieges. Sehr grausam. Ihm wurden Menschenopfer dargebracht. Er konnte verschiedene Gestalt annahmen, wenn er unter den Sterblichen wandelte.«
    »Auch die eines Hundes?« fragte Cordie und leckte ihren Löffel ab.
    Paul Kukali zögerte einen deutlich erkennbaren Moment. »Manchmal. Um genau zu sein, ganz besonders die eines Hundes. Denken Sie dabei an den, dem wir heute begegnet sind?« Er lächelte, um zu zeigen, daß er die Frage ironisch meinte.
    »Klar«, sagte Cordie. Sie erwiderte das Lächeln nicht.
    »Dann muß ich Sie wohl leider enttäuschen«, erklärte er. »Ku... oder zumindest seine hündische Inkarnation... wurde vor Jahrhunderten von Oberhäuptling Polihale getötet. Kus Leichnam wurde in zwei Teile geschnitten und dann in Steine verwandelt... man kann sie noch heute auf Oahu bewundern.«
    »Man kann einen Hund töten, aber nicht einen Gott, oder?« bemerkte Cordie. Sie hatte ihren Eisbecher aufgegessen. Auf ihrer Oberlippe prangte ein Hauch eines Eiscremebarts.
    Paul sah zu Eleanor. »Voltaire und Rousseau würden dem

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