Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
schloss er sie und dankte Gott dafür, dass auch der gefühlloseste unter den Adeligen nachgegeben hatte. Denn dies waren schwierige, stürmische Tage gewesen, in denen harte Worte gefallen waren. Das Unglück des Arsenale hatte das Feuer der Unvereinbarkeiten zwischen dem Rat der Zehn und dem Senat neu entfacht, den beiden wichtigsten Institutionen der Stadt, zwischen denen die Signoria sich wendig und schwankend, je nach Sympathien, bewegte. Denn hier trafen zwei unterschiedliche Regierungsstile aufeinander: der rechtsprechende der Zehn und der vorwiegend politische und verfassungsrechtliche des Senats.
Milledonne war stolz, einer der Sekretäre der Zehn zu sein, zweifellos der treueste, älteste, ehrlichste und gottesfürchtigste. Und an diesem Tag hatte er, um die Forderungen der Zehn zu unterstützen, ein dickes Bündel Dokumente aus dem Geheimarchiv mitgebracht.
Beim Stöbern in den Sendschreiben, die Marino Cavalli, der damalige venezianische Botschafter in Konstantinopel im noch nicht lang vergangenen Mai des Jahres 1560 geschickt hatte, hatte er nämlich eines gefunden, das zum Symbol der Kritik der Zehn an der diplomatischen, verhandlungsbereiten Politik des Senats geworden war. Das chiffrierte Schreiben schilderte den Plan eines Verräters, eines gewissen Zuàn Battista Bossis von der venezianischen Terraferma, Venedig in die Hände der Türken fallen zu lassen. Das sollte in drei Phasen geschehen: Zunächst würden innerhalb weniger Monate mindestens tausend als Händler verkleidete Soldaten in die Stadt strömen, dann sollten das Arsenale in die Luft gesprengt und möglichst viele Schiffe versenkt werden, und zuletzt würden die Türken Venedig mit ihrer Flotte angreifen.
War es nicht genau das, was jetzt geschah? So hatten die Zehn getönt. Und wie viele Türken trieben sich in der Stadt herum,die nach Belieben spionieren und die Landung ihrer Flotte vorbereiten konnten? Tausend, zweitausend? Wie viele? Für den Rat der Zehn gab es nicht mehr den geringsten Zweifel, das Attentat war ein Teil dieser Strategie. Nach zermürbenden Streitereien und dem Studium geheimer Dokumente, diverser Prognosen und Strategien hatte die Idee vom türkischen Komplott alle überzeugt. Fast alle. Tausend Dukaten wurden dem versprochen, der Informationen über das Attentat liefern konnte, weitere fünfhundert, nebst einer monatlichen Leibrente für alle, die zur Verhaftung der Attentäter beitrugen. Man hatte Galeerensklaven und Kopfgeldjägern die Freiheit versprochen, der Magistrat der sieben Delegierten war einberufen worden, um diese Gnadenerlasse und Amnestien zu unterstützen.
Außerdem gab es das Zypernproblem. Schon bei dem Namen erschauerten die meisten, inzwischen taten nur noch wenige, als gäbe es kein Problem oder verwiesen beschwichtigend auf den von Sultan Selim II. unterzeichneten Friedensvertrag. Dabei hatte der venezianische Botschafter in Konstantinopel, Vettore Bragadin, schon vom Januar 1566 an vor möglichen türkischen Angriffen auf die Insel gewarnt, und das Gleiche hatten seine Nachfolger getan: Soranzo und Barbaro. Es gab einen regen Austausch von verschlüsselten Depeschen zwischen den Geheimdiensten der Serenissima, die die ständige Anwesenheit von türkischen Spionen auf Zypern meldeten.
Und so hatte die Explosion des Arsenale trotz der Wirtschaftskrise und Nahrungsmittelknappheit zu einer allgemeinen Aufrüstung geführt. Unmittelbare Maßnahmen waren die Ausgangssperre ab Mitternacht und die strenge Kontrolle des gesamten Schiffsverkehrs auf venezianischen Gewässern. Hinzu kam eine neue Aushebung von Fanti zur Überwachung und zum Schutz der Stadt, und die Anlage einer Artilleriefront zur Verteidigung der Lagune von Tre Porti bis Chioggia. Von morgens bis abends hörte man unaufhörlich die Kanonenschüsse der bombardieri bei ihren Übungen.
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Pietro Loredan, immer darauf bedacht, seine Umgebung zu beobachten, um die Zeichen des Schicksals und die Seele der Menschen zu deuten, konzentrierte sich auf Alvise Mocenigo. Dieser tat dasselbe, und ihre Blicke kreuzten sich, was dem Savio Grande als ideale Gelegenheit erschien, um den Riss zu kitten. Also deutete er ein melancholisches Lächeln an, wie der feierliche Augenblick gebot.
Loredan, der seit langem auf ein versöhnliches Zeichen wartete, spürte, wie ihm die Rührung in die Augen stieg. Denn Mocenigo hatte sich immer als ein Freund erwiesen, der ihn wertschätzte und für ihn stimmte. Bis vor fünf Monaten, als die beiden einen
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