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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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sich mit neuentbranntem Zorn abrupt um: »Meiner Meinung nach seid Ihr ein Spion im Sold des Türken!«
    »Ich bin Florentiner und hasse den Türken ebenso wie Ihr«, erwiderte der andere so entschieden, wie seine liegende und hilflose Position ihm erlaubte.
    »Tja«, brummte Formento nachdenklich mit der spöttischen Miene desjenigen, der sich über die Gedanken anderer Menschen lustig macht. Unvermittelt schrie er dem Gefangenen ins Gesicht: »Nicht immer haben die Florentiner die Türken gehasst! Doch egal, wer auch immer Ihr seid, hier in Venedig enden Spione und Sodomiten auf dieselbe Weise: Man hängt sie!«
    Tomei schloss die Augen.
    »Nein! Um Gottes willen, nein!« Die Stimme kam aus der Zelle über der Folterkammer. »Im Namen Gottes und seiner Liebe!« Die Worte des jungen Mannes gingen in eine Reihe Schluchzer über, die in einem Winseln verebbten.
    »Schweigt, Ihr von Gott und den Menschen Verfluchter!
    Der Schrei des Sekretärs war mehr als eine einfache Verwünschung. Er war eine Messerklinge, die alle Hoffnung zunichtemachte, in diesem Folterknecht gäbe es irgendein Überbleibsel menschlichen Mitgefühls. Keuchend wechselte er einen finsteren Blick mit Bartolomeo Puti, dann fixierte er wieder Tomei.
    »Wir haben Zeugen, die gesehen haben, wie Ihr die Mauern des Arsenale mit Schritten abgemessen habt«, sagte er mit tonloser Stimme.
    »Das ist eine Lüge.«
    »Wir haben Zeugen, die gesehen haben, wie Ihr auf den Campanile der Celestia gestiegen seid und ein Loch in die zugemauerten Bögen gemacht habt, um das Gelände des Arsenale zu überblicken!«
    »Das stimmt nicht!«
    »Leugnet Ihr auch, dass Ihr in der Celestia gewesen seid?«
    »Nein, das leugne ich nicht«, sagte Tomei, wobei er versuchte, dem Sekretär sein Gesicht zuzuwenden. »Aber ich bin kein Spion. Ich hatte den Auftrag, eine Kapelle der Kirche mit Fresken auszumalen, und genau das habe ich getan, wie Ihr wisst!«
    »Ich spreche nicht von den heiligen Fresken, sondern von den Zeichnungen des Arsenale, die wir in Eurem Zimmer in der Campana gefunden haben!«
    »Entwurfsskizzen. Ist es etwa verboten, Venedig zu malen?«
    »Ohne Bewilligung der Zehn   … ja!«, antwortete Formento säuerlich.
    »Und das rechtfertigt die Qualen, die Ihr mir zufügt?«
    »Es rechtfertigt alles! Antwortet: Wer hat Euch das Geld gegeben, um Euch in der Stadt zu ernähren? Seit über einem Monat haltet Ihr Euch hier auf.«
    »Ich führe ein bescheidenes Leben.«
    »Ihr habt hundert Dukaten für ein einziges Fest ausgegeben und fünfhundert habt Ihr diesen Ordensschwestern geschenkt!«
    »Ist es ein Verbrechen, Almosen zu geben?«
    »Fünfhundert Dukaten nennt Ihr ein Almosen? Mit dieser Summe kauft man sich hier ein Haus. Wer hat sie Euch gegeben?«, donnerte der Sekretär Zuàne Formento.
    »Ich habe es Euch doch schon gesagt   …, ich habe ein Stück Land verkauft, und das ist der Erlös. Ich habe mich für eine mir erwiesene Gnade bedankt«, sagte er in resigniertem Ton.
    »Ihr habt kein Land«, unterbrach ihn der Sekretär verächtlich. »Ihr habt nie Land gehabt, weder Ihr noch Eure Familie. Ihr habt das Land höchstens beackert, als Bauern. Wir haben unsere Informationen.« Er strich sich über den struppigen Bart. Dann beugte er sich vor und fand zu einem ruhigen, fast flehenden Ton zurück: »Ich frage Euch zum letzten Mal, Signor Tomei: Wer hat Euch das Geld gegeben?«
    Schweigen.
    »Zieh ihn rauf«, sagte Formento wie nebenbei, drehte dem Florentiner den Rücken zu und ging zum Schreibtisch zurück.
    Bartolomeo Putis Blick folgte ihm einige Sekunden lang, als erwarte er einen Sinneswandel, doch der Sekretär setzte sich und begann in einem Verzeichnis zu blättern. Also packte Puti den Strick mit beiden Händen, und seine Muskeln blähten sich auf, als würden sie atmen. Der Strick spannte sich, riss die Arme des Gefangenen nach oben, und sein Schrei wurde zu einem Röcheln und Zähneknirschen, als seine Füße sich vom Boden lösten. Er sah aus wie ein Engel, der zum Himmel aufsteigt. Fast unter der Decke angekommen, wo seine Handgelenke schon die Winde berührten, wurde das Röcheln wieder zum Schrei: »Möge Gott Euch vergeben!«
    Dann lockerte Puti seinen Griff, und der Gefangene senkte sich um eine gute Armeslänge, bis der Arbeiter aus dem Arsenale den Fall abrupt anhielt. Der Schmerzensschrei erfüllte jeden Winkel des Raumes, schien selbst materielle Konsistenz anzunehmen. Puti dachte an die Augen seines Bruders, sein Lächeln. Wieder ließ

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