Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
dass er sie noch einmal beleidigt hatte. Er lachte in sich hinein und drehte sich zu dem über und über mit Büchern beladenen Karren um, dem die beiden anderen Karren mit ihrer Bücherfracht vorausfuhren. Er hatte sie gezählt: vierzig Kisten mit zehntausend Büchern und dreihundert Handschriften, darunter die kostbaren Bände von Janus Cornarius, Jacobbus Zeglerus, Otho Brunfelsius und das Gesamtwerk des Paracelsus, des Agrippa von Nettesheim und des Erasmus von Rotterdam. Bücher, für die der Erzbischof von Florenz, Antonio Altoviti, ein Fachmann für Alchemie und Destillierkunst, ihm weitere zwanzigtausend Florin zahlen würde. Er würde reich werden. Er würde sich ein Geschäft kaufen, sich zurückziehen und von den Erträgen leben können. Er dachte an Filippo Tomei. Wenn sie ihn auf dem Bootsfriedhof der Giudecca nicht umgebracht hatten, musste er inzwischen wieder in den Pozzi sitzen und auf sein Urteil warten. Er verdankte Filippo viel und hatte fast Sehnsucht nach ihm. Glücklich über seinen Erfolg, fand er zur nötigen Aufmerksamkeit zurück, als er versuchte, die vergangenen Ereignisse zu ordnen. Denn in einer halben Stunde würden sie in Battaglia sein, am Kanal, wo die beiden eigens gemieteten Frachtkähne warteten. Er lächelte: alles auf Rechnung der Zehn. In Battaglia würden Lorenza da Mula und Schellino zu Land weiter nach Padua fahren, um die Nacht in der Stadt zu verbringen und am nächsten Tag in Venedig anzukommen. Riccio aber würde die Bücher mit Hilfe der Soldaten auf die Kähne laden und bei Sonnenuntergang zwischen Handelsbooten die Reise zu Wasser antreten. Dann würde die schützende Nacht hereinbrechen. Er liebte die Nacht.
Alles ging so glatt wie das langsame Fließen des Wassers im Kanal. Bei Sonnenuntergang wurden die beiden Frachtkähne mit den Büchern beladen. Seine eigenen vier Männer hatte Riccio am Pier von Bassanello ausgesucht und im Voraus bezahlt, dreimal so viel wie üblich. Sie stellten keine Fragen. Beim letzten Schlag der Glocken grüßte der Hauptmann der Paduaner den Frate, und sie verabredeten sich für den nächsten Tag in Padua an der Treppe zum Hafen. Die Anker wurden gelichtet, und die von Pferden gezogenen Kähne bewegten sich auf Catajo zu. So legten sie eine Meile zurück, bis die Dämmerung hinter den Bergen erlosch.
Plötzlich schwankte eine Laterne mit einem schönen grünen Licht am Ufer hin und her, und Riccio gab Befehl, anzulegen. Es war eine einsame Stelle am Kanal, aber weiter vorn lag eine Osteria. Man hörte die Musik von Flöten, Lauten und Trommeln. Er gab der Mannschaft und den Reitern Geld, damit sie zu Abend essen konnten. Als er sie zufrieden weggehen sah, dankte er dem allmächtigen Gott. Die grüne Laterne bewegte sich langsam. Sie gehörte zu einem großen Kahn, der vom Segel und der Strömung angetrieben wurde.
» Dominus vobiscum «, sagte Riccio.
» Et cum spiritu tuo «, antwortete jemand in der Dunkelheit. Aus dem Kahn sprangen vier Männer an Bord, die von ihm gedungenen Leute.
»Schnell, wir haben wenig Zeit!«, drängte Riccio.
Sie begannen, die Bücherkisten auf den großen Kahn umzuladen. Sie arbeiteten schnell, etwa eine halbe Stunde lang entluden sie beide Kähne. Am Ende sprang auch Riccio an Bord. Die Taue wurden gelöst, und die vier Männer, zwei am Bug, zwei am Heck, begannen zu rudern. Wind und Strömung halfen ihnen, das Boot wurde schneller, es fuhr in die entgegengesetzte Richtung, nach Monselice. Hinter ihnen verklang die Musik aus dem Gasthaus. Das stille Wasser des Kanals war das einzige, auf dem Angelo Riccio reisen konnte, ohne dass ihm übel wurde. An den Ufern zogen die ersten Häuser von Battaglia vorbei. Bei dieser Geschwindigkeit würden sie in einer halben Stunde den Canale della Rivella erreichen. Dort gab es ein altes, verlassenes Lagerhaus mit eigenem Anlegesteg und einem großen Bootsschuppen. Alles war bereit, die von Altoviti geschickten Männer erwarteten sie. Ein paar Cesendelli beleuchteten die Ufer, und Riccio beschloss, unter Deck zu gehen. Er wollte nicht gesehen werden, außerdem schlief er seit zwei Tagen nicht, und die Pistole, die er unter der Achsel trug, hatte sein Fleisch wund gerieben.
Der Kielraum war mit den Kisten vollgestopft, doch unter dem Heck gab es Platz und eine Laterne. Er legte das Skapulier ab, öffnete seine Kutte und nahm die Pistole. Dann lehnte er sich auf dem Strohlager zurück und schloss die Augen. Schlafen wollte er nicht.
Plötzlich ein Schuss. Das Boot
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