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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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»Ausgehend von den Buchstabenwiederholungen in der verschlüsselten Schrift vermutete ich, dass der Klartext auf Venezianisch geschrieben sei. Ich habe also das c, t und v der Chiffre durch das a, i und e ersetzt, Vokale, die bei Sanudo die häufigsten sind. Ich habe nach möglichen Silben, Doppelbuchstaben, Artikeln und Paarungen gesucht, und etwas schien dabei herauszukommen, aber es war nichts Wichtiges.«
    Ferigo zeigte kopfschüttelnd ein zweites Blatt. »Dasselbe habe ich mit dem Florentinischen, mit Abschnitten aus Machiavelli und Guicciardini gemacht. Abgesehen vom völligen Fehlen des x, einer geringeren Häufigkeit des a und einer verdoppelten des i, ist das Ergebnis das Gleiche.«
    »Ich vermute, mit Latein und Französisch ging es dir ebenso.« Diese spitze Bemerkung konnte sich der Vater nicht verkneifen.
    »Ja«, bestätigte Ferigo, »in diesen Sprachen sind die Vokale häufiger als die Konsonanten, der Prozentsatz variiert, aber das ändert nichts   … die Botschaft blieb unverständlich.«
    Dann hellte sich das Gesicht des Jungen auf, und allen wurde klar, dass er nun den Kern dieser spekulativen Ausführung enthüllen würde. Tatsächlich griff Ferigo begeistert nach dem dritten Blatt und hielt es dem Vater vor die Augen. »Und jetzt seht Euch das hier an!«
    Unterdessen war der Großkanzler Ottobon, der auch von Geheimschriften und Chiffrierschlüsseln etwas verstand, auf der untersten der vier Stufen, die in den Bereich der Kryptographen führten, aufgetaucht und versuchte, der Diskussion unter Eingeweihten zu folgen. Einen Schritt hinter ihm waren auch die beiden Sekretäre stehen geblieben, die soeben mit einer Kiste zu archivierender Akten hereingekommen waren. Auf den Gesichtern der drei Zuhörer lag die lebhafte Hoffnung, es möge endlich die Lösung sein.
    Leider ertrug Zuàn Francesco Marin keine Zaungäste. »Ihr wünscht Aufklärung, hochverehrte Signori?«, herrschte er das interessierte Terzett an. Die beiden Sekretäre waren die Ersten, die sich auf dem Absatz umdrehten und verschwanden. Ottobon hielt dem strengen Blick des Chiffreurs einen Augenblick länger stand und schien zum Duell bereit, ehe er seinem Gegner verärgert den Rücken zuwandte und seinen Spaziergang fortsetzte. Zuàn Francesco drehte sich wieder zu seinem Sohn um, äußerst übelgelaunt.
    »Wenn zutrifft, was ich denke«, sagte er, »ist das, was du mir jetzt zeigen wirst, ein wüstes Land, das ich vermutlich schon gestern gegen Mittag gesichtet habe   …« Der alte Kryptologe betrachtete das Pergament, das Ferigo ihm hartnäckig hinhielt. Er hatte sein ganzes Leben mit diesem Beruf verbracht, begonnen hatte er als Schüler von Giovanni Soro, der jetzt schon fast drei Jahrzehnte tot war. Er überflog die Transposition:
    keyqgtwwcjqtuwdvymkvemyywwfqprnmzlsqakzedctyjoykctfzltcycgowneoxnmexucxeyqjlsagvvxkctfzcgrrwckqtuwmfniifgkvvcgrymeu…
    »Genau wie ich mir gedacht hatte«, rief Zuàn Francesco aus. »Du hast angelsächsische Häufigkeiten benutzt, weil du an all die y, k und w gedacht hast.« Und allein sein resignierter Ton erstickte jeden Enthusiasmus.
    Ferigo schickte sich an, seine These zu verteidigen.
    »Ja, und sie haben sofort Früchte getragen.«
    »Faule, wurmzerfressene Früchte, mein Söhnchen!«
    Ferigo überwand den Impuls, die Flinte ins Korn zu werfen. »So hört mich doch wenigstens an!«
    »Das wird uns nicht weiterbringen, aber bitte.«
    Ferigo zeigte auf den zweiten Buchstaben, das b. »Wenn man den häufigsten Buchstaben b mit dem häufigsten der englischen Sprache, e, ersetzt, wird aus kb ke. Ersetzt man dann das h durch ein y, ergibt sich schon ein Wort: key !«
    »Schlüssel!«, rief der Vater mit Emphase aus. »Sicher, das ist sehr beeindruckend, aber ebenso falsch!«
    »Und das hier?« Ferigo wies auf andere Stellen des chiffrierten Textes. »Ist das auch falsch? Lest selbst   … eve, yet, ay, fye !« Er sah seinen Vater an. »Das sind Worte: Vorabend, doch, ja, Schande. Und dabei habe ich erst drei Buchstaben ersetzt.«
    »Und sie sind alle drei falsch!« Zuàn Francesco blickte ihn streng an und sah, dass die Augen seines Sohnes sich mit Tränen füllten. Also drang er nicht weiter auf ihn ein. Die Lektion, die er ihm gleich erteilen wollte, würde genügen.
    »Gut!« Zuàn Francesco rieb sich die Hände, dann begab er sich an seinen Schreibtisch, wo er Schüsseln, Gläser und eine Obstschale beiseiteräumte und ein großes Pergament aus dem Durcheinander hervorzog. Er nahm eine

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