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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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ist tot. Manchmal träume ich von ihr.«
    »Ich verstehe«, sagte Formento knapp.
    Was verstehst du schon, venezianischer Esel! Der Gedanke kam sofort, unbezwinglich. Angelo hasste die Venezianer dafür, wie sie die Menschen vom Festland behandelten. An diesen Hass hatte man ihn früh gewöhnt, weil seine Vorfahren aus den Euganeischen Hügeln bei den Carraresi gedient hatten, den Herren von Padua, und mit ihnen waren sie unter die Herrschaft Venedigs gefallen. Der Hass war Angelos Kurs. Das Geld sein Schiff.
    »Wir dürfen kein Risiko eingehen«, wiederholte Formento. »Wenn es Euch bessergeht, werdet Ihr zu Tomei zurückkehren. Einstweilen könnt Ihr ihn von der Nachbarzelle aus sprechen. Heute hat er immerzu nach Euch gefragt.«
    Angelo begriff, dass er sich diesem Befehl nicht widersetzen konnte, außerdem wollte er den Sekretär nicht reizen. »Einverstanden«, sagte er mit einem Kopfnicken. Im Grunde würde ihm ein wenig Ruhe guttun.

26
    Der kleine Kreuzgang von San Francesco della Vigna war ein perfektes Quadrat aus achtundzwanzig Rundbögen, sieben auf jeder Seite, aus Ziegelsteinen, die sich elegant über Kapitelle und Marmorsäulen wölbten. Auf diesen friedlichen, sonnigen Innenhof gingen die Fenster der Mönchszellen. Vom Wechsel der Witterung spürten sie nur wenig, doch wenn die Nordwinde in die Lagune fegten, hallte das Geräusch der Wellen zwischen diesen vier Wänden wider.
    Das gesamte Gebäude ruhte auf einer vier Spannen hohen Backsteinmauer, die von einer marmornen Stufe gekrönt wurde. Auf diesem Mäuerchen saßen Andrea und Luca nebeneinander, sie sprachen abwechselnd, den Blick starr nach vorn gerichtet, als säße dort ein dritter Gesprächsteilnehmer.
    »Dieselbe Waffe. Dieselbe Handschrift«, stellte Luca fest.
    »Erst tötet er Lucia Vivarini, dann Tonino Ruis«, bestätigte Andrea.
    »Möglich. Aber nicht bewiesen.«
    Andrea strich sich über die Stirn. »Braucht man Kraft, um auf diese Weise zu töten?«
    »Man braucht vor allem Erfahrung«, sagte Luca trocken. Und da der Freund nichts erwiderte, fühlte er sich verpflichtet, es zu erklären: »Man muss genau die richtige Stelle treffen.« Er stand auf. »Komm, ich zeige dir etwas«, und mit diesen Worten ging er schnellen Schrittes durch den Bogengang. Andrea folgte ihm.
    »Gestern habe ich Taddea gesehen«, sagte Luca plötzlich mit geheuchelter Unbefangenheit. »Sie kam mir schmaler vor als sonst.«
    Andrea spürte, wie ihm das Herz in der Brust sank, doch er beschloss, den Ball nicht zurückzuspielen, denn er kannte Lucas Neigung, sich einzumischen. Luca hätte alles daran gesetzt, den Riss zu kitten und so sein Gewissen zu beruhigen, weil er selbst uneingestandene Gefühle für Taddea hegte. Andreas Schweigen zwang den Freund, sich umzudrehen.
    »Hast du gehört, was ich gesagt habe?«, fragte er erstaunt.
    Andrea erwiderte nur seinen Blick. Ihre Schritte hallten durch den Kreuzgang.
    »Mehr sagst du nicht?«, schnaubte Luca, als sie um die Ecke bogen.
    »Mir geht es auch nicht gut, und ich würde lieber nicht darüber sprechen«, erwiderte Andrea, in der Hoffnung, das Thema damit zu beenden. Aber die Hand, die ihn am Arm packte und zurückhielt, zeigte ihm, dass er sich täuschte.
    Luca starrte ihn ungläubig an: »Sie liebt dich! Warum wirfst du alles so einfach weg?« Sein Ton war verzweifelt, als hätte er selbst diese Liebe zerstört.
    »Hör mal«, gab Andrea entschieden zurück, »im Moment habe ich nicht die geringste Lust, über Taddea zu sprechen, und als Freund müsstest du meinen Wunsch respektieren!«
    Luca hob die Hände, zog den Kopf ein und setzte eine bekümmerte Miene auf. »Einverstanden«, sagte er hastig, »reden wir nicht mehr darüber, ich habe dir sowieso schon gesagt, was ich denke.«
    Andrea fühlte sich schuldig und hätte sicher noch eine Erklärung hinzugefügt, wenn Luca sich nicht schon zur inneren Wand des Kreuzgangs umgedreht und eine große Leinwand entrollt hätte, auf der ein menschliches Skelett in natürlicher Größe abgebildet war.
    »Erinnerst du dich an die Vorlesungen von Fallòppia?« Er zeigte auf das Skelett. »Hier ist das Brustbein und dahinter liegt das Herz.« Einer seiner Finger imitierte den vermutlichen Stich mit der langen Nadel des Mörders. »Wenn der Stich tödlich sein soll, muss die Nadel hier mit leichter Neigung eindringen, zwischen der vierten und fünften Rippe, eine halbe Spanne weit, bis zum Herzen.« Er brach ab, weil er bemerkte, dass Andrea abgelenkt

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