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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Meer.
    »Ich bringe dir Helena von Sparta, die eingewilligt hat, meine Gemahlin zu werden.«
    Kassandra hob den Kopf zum Fenster. Oenone preßte ihre Hand auf den Mund. Plötzlich drehte sie sich um und war blitzschnell verschwunden. Andromache starrte ihr nach. Auch Paris hatte den Kopf gehoben, aber Kassandra wußte nicht, ob er Oenones Verschwinden gesehen hatte.
    Er wandte sich sofort wieder Helena zu, die ihm etwas zuflüsterte. Dann sah er Priamos an.
    »Wirst du meine Herrin in Troia willkommen heißen, Vater?« Priamos öffnete den Mund, aber Hekabe sprach als erste.
    »Wenn sie aus freiem Willen hier ist, sei sie willkommen«, erklärte die alte Königin. »Troia unterstützt den Raub und das Stehlen von Frauen nicht, sonst wären wir nicht besser als dieser Mann, der uns Hesione geraubt hat. Und da wir von Hesione sprechen, wo ist sie? Mein Sohn, du hattest den Auftrag, Hesione zu ihrer Familie zurückzubringen. Das scheint dir nicht gelungen zu sein. Herrin Helena, bist du freiwillig hierher gekommen?«
    Helena von Sparta lächelte und berührte ihr glänzendes Haar. Es war lang und hing ihr lose über den Rücken, wie es in Troia nur bei Jungfrauen üblich war. Es glich einem glänzenden Schleier und war kaum heller als das Goldband über der Stirn. Sie trug ein Gewand aus feinstem ägyptischen Leinen, und um die schmale Hüfte lag ein Gürtel aus gehämmerten Goldscheiben mit runden Lapislazuli-Steinen von der Farbe ihrer Augen.
    Sie hatte einen vollen Körper mit schweren Brüsten und lange Beine, die sich unter den Falten des Gewandes abzeichneten. Sie sprach mit einer tiefen, weichen Stimme.
    »Ich bitte dich, Herrin von Troia, heiße mich willkommen und nimm mich auf. Die Göttin hat mich deinem Sohn gegeben, und auch Sie könnte niemanden mehr lieben als ich deinen Sohn.« 
    »Aber du hast bereits einen Gemahl«, sagte Priamos zögernd. »Oder haben wir etwas Falsches gehört? Bist du nicht mit Menelaos von Sparta verheiratet?«
    Paris erwiderte an ihrer Stelle: »Man hat sie ihm unrechtmäßig gegeben. Menelaos ist ein Thronräuber, der ihr Reich wollte. Sparta ist nach dem Mutterrecht Helenas Stadt. Ihre Mutter Leda erbte es von ihrer Mutter, und ihre Mutter von ihrer Großmutter. Ihr Vater…«
    »Ist nicht mein Vater«, unterbrach ihn Helena. »Mein Vater ist Zeus, der Donnerer, nicht dieser Thronräuber, der die Stadt meiner Mütter mit Waffengewalt an sich brachte und eine Königin heiratete, die ihn nicht wollte.«
    Priamos war nicht überzeugt. »Ich weiß wenig über den Donnergott. ER wird hier in Troia nicht verehrt. Und wir sind keine Frauenräuber …«
    »Mein Herr«, unterbrach ihn Helena, trat zu ihm und ergriff seine Hand mit einer Geste, die Kassandra für sehr kühn hielt. »Ich bitte dich im Namen der Göttin, mir den Schutz und die Gastfreundschaft von Troia zu gewähren. Deinem Sohn zuliebe bin ich vor den Achaiern geflohen, die meine Heimat erobert haben. Willst du mich zurückschicken, damit ich verstoßen werde?«
    Priamos sah ihr in die schönen Augen, und Kassandra erlebte zum ersten Mal die Wirkung, die Helena auf Männer hatte: Sein Gesicht wurde weich. Er schluckte und sah sie noch einmal an.
    »Das klingt vernünftig«, sagte er; aber selbst zu diesem kurzen Satz mußte er zweimal Luft holen. »Noch niemand hat in Troia vergeblich um Gastfreundschaft gebeten. Ganz sicher können wir sie nicht zu einem Mann zurückschicken, der sie mit Gewalt genommen hat…«
    Kassandra konnte nicht länger schweigen. Sie rief: »Zumindest in dieser Hinsicht lügt sie. Erinnerst du dich nicht daran, wie Odysseus uns erzählt hat, daß sie sich selbst unter mehr als zwei Dutzend Bewerbern für Menelaos entschied? Die anderen mußten schwören, ihrem Gemahl gegen jeden beizustehen, der sich weigern würde, ihre Entscheidung anzuerkennen.«
    »Vater, hüte dich vor dieser Frau. Sie wird Unheil und Untergang über unsere Stadt und unsere Welt bringen! Was will sie hier?« rief Kassandra.
    Helena öffnete überrascht den bezaubernden Mund und stieß einen Schrei aus - wie ein verwundetes Tier, dachte Kassandra und nahm sich zusammen, um kein Mitleid mit der spartanischen Königin zu empfinden.
    Paris sah Kassandra voll Zorn und Abscheu an.
    »Ich wußte schon immer, daß du verrückt bist«, sagte er. »Meine Herrin, ich bitte dich, beachte sie nicht. Sie ist meine Zwillingsschwester. Die Götter haben sie mit Wahnsinn geschlagen, und die Irregeleiteten halten sie für eine Seherin. Sie

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