Die Feuerbraut
weiterzureisen bedeutete einen beträchtlichen Umweg, und er hatte sich schon auf einen Becher Wein in der Herberge gefreut.
»Wir würden Gefahr laufen, das Stift erst nach Einbruch der Dunkelheit zu erreichen«, erklärte er in der Hoffnung, den Prior von seinen Plänen abzubringen.
Lexenthal hatte sich jedoch entschieden. »Wir fahren nach Ardagger zu den Klarissinnen, die in einem der Vorwerke untergekommen sind. Sende einen Reiter voraus, der uns ankündigt!«
»Sehr wohl, Herr!«, erwiderte der Mann so unhöflich, wie er es gerade noch wagen konnte.
Lexenthal achtete nicht auf ihn, sondern setzte sich wieder und nickte der blonden Magd zu. »Heute Abend könnt ihr die Hexe so versorgen, wie es notwendig ist. Aber gebt ihr nicht zu reichlich. Wenn sie wieder zu Kräften kommt, wird sie euch in Ratten oder Molche verwandeln. Sorgt vor allem dafür, dass kein Besen in ihrer Nähe steht. Entkommt sie euch, werde ich euch hinrichten lassen, ganz gleich, ob als Tier oder als Mensch.«
Seine Worte erschreckten die beiden Mägde. Sie waren gewohnt, Befehle ohne Widerspruch auszuführen, aber man hatte sie nochnie gezwungen, sich in Lebensgefahr zu begeben. Das kreideten sie jedoch nicht Lexenthal an, sondern der bösartigen Hexe, die sie bewachen mussten, und sie bedachten die Gefangene mit rachsüchtigen Blicken.
Irmela merkte nichts von der Selbstzufriedenheit, in der der Prior schwelgte, und von der Angst und der Wut, zwischen denen die Mägde schwankten. Immer wieder versank sie in gnädiger Schwärze, aus der nur das harte Bocken des Wagenkastens sie riss, wenn die Räder in ein besonders tiefes Schlagloch fielen. In diesen Augenblicken empfand sie den in ihrem Innern wühlenden Schmerz und ihr Elend jedoch doppelt und dreifach so stark und wünschte sich, kein weiteres Mal mehr zu erwachen.
Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht, denn die Straße war durch ein mit schweren Kanonen nach Bayern vordringendes Heer in Mitleidenschaft gezogen und nicht wieder instand gesetzt worden. Erst als sie Amstetten erreicht hatten und von dort nach Ardagger abbogen, verlief die Fahrt etwas ruhiger. Dennoch hatte der Weg viel Zeit gekostet, und so erfüllte sich die Voraussage des Reiters. Es war schon dunkel, als die Kutsche in den Hof der Anlage einbog, in der die aus Bayern geflüchteten Nonnen Zuflucht gesucht hatten. Da sie jedoch erwartet wurden, brannten etliche Fackeln.
Lexenthal grüßte die Klosterschwestern mit wenigen Worten und hielt sich auch nicht mit Erklärungen auf, sondern entschuldigte sich mit der Erschöpfung durch die Reise. Auf seinen Befehl wurde Irmela von den beiden Mägden in einen Keller geschleppt und dort auf einen rasch herbeigebrachten Strohsack geworfen.
Mehrere Angehörige des Stifts begleiteten die Gruppe und musterten die Gefangene neugierig. Die blonde Magd hob warnend den Zeigefinger. »Seid bitte vorsichtig! Das da ist eine ganz gefährlicheHexe. Wenn die nur mit den Wimpern zuckt, wird man gleich zu einem schleimigen Molch.«
»Hat man ihr deshalb die Augen verbunden?«, fragte eine junge Nonne erschrocken.
»O ja! Man darf ihr auch nicht die Binde abnehmen, wenn man nicht schnurstracks des Teufels sein will.«
»Aber warum wird sie noch durch das Land gekarrt, anstatt dort gerichtet zu werden, wo man sie gefangen genommen hat?«, fragte eine ältere, würdig aussehende Nonne mit Tintenflecken an den Händen.
»Sie muss am Schauplatz ihrer schlimmsten Verbrechen abgeurteilt werden. So hat es der hochehrwürdige Herr Prior gesagt. Die Hexe hat nämlich durch ihre Zauberkraft die Schweden zu seinem Kloster gelockt und es verheeren lassen. Der Prior und sein Sekretär sind die einzigen Überlebenden des Massakers. Deswegen hat der hochwürdige Herr geschworen, die Hexe dort brennen zu lassen, wo einst der Altar der Klosterkirche gestanden hat!«
Da die Nonnen an den Lippen der Magd hingen wie sonst nur an denen ihres Predigers, schmückte diese ihren phantasievollen Bericht weiter aus und vermochte den staunenden Stiftsdamen Geschichten zu erzählen, die diesen einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagten. Dabei vergaß sie ihr leibliches Wohl nicht, sondern ließ sich und ihrer Gefährtin Brot, Wurst und Wein auftragen, als seien sie hochgestellte Gäste. Nachdem die beiden Frauen satt waren, forderten sie zwei Stiftsmägde auf, die Hexe festzuhalten, und nahmen ihrer Gefangenen vorsichtig den Knebel aus dem Mund.
»Kann sie uns denn jetzt nicht verhexen?« Die
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