Die Feuerbraut
Jüngste der Stiftsdamen wich zitternd bis zum Eingang zurück.
Die beiden Mägde wechselten einen kurzen Blick, dann nahm die Jüngere das Messer, mit dem sie das Brot geschnitten hatte,und setzte es Irmela an die Kehle. »Wenn du nur einen Ton von dir gibst, schneide ich dir die Gurgel durch, verstanden!«
Irmela öffnete und schloss den Mund wie ein nach Luft schnappender Karpfen. Die Kraft, etwas zu sagen oder sich gar zur Wehr zu setzen, hatte sie schon lange nicht mehr.
Die Blonde nickte zufrieden, brach ein Stück Brot ab, tauchte es in den Weinbecher und schob es ihrer Gefangenen zwischen die Zähne. Der Brocken war viel zu groß, und hätte der aufgesaugte Wein nicht das Brot weich gemacht, wäre Irmela daran erstickt.
Ihr Mund war durch den Knebel aufgescheuert, und so fiel es ihr schwer, das Brot zu kauen, aber Hunger und insbesondere der Durst ließen sie beinahe die Schmerzen vergessen. Obwohl sie sich Mühe gab, möglichst schnell zu essen, schien es ihren Bewacherinnen zu lange zu dauern. Sie war noch nicht ganz fertig, da setzte ihr jemand den Becher an die Lippen und schüttete ihr den Rest des Weines in den Mund. Mit beinahe übermenschlicher Anstrengung verhinderte sie, dass ihr die Flüssigkeit in die falsche Kehle geriet. Der Wein weckte ihre Lebensgeister, und sie öffnete den Mund in der Hoffnung, noch einen angefeuchteten Bissen Brot zu bekommen.
Die Magd hatte jedoch beschlossen, die gefährliche Hexe nicht noch weiter zu stärken, und wollte ihr den Knebel in den Mund schieben. Irmela spürte das Leder an ihren Lippen, biss die Zähne zusammen und versuchte, den Kopf wegzudrehen. Aber sie kam nicht gegen die vielen Hände an, die sie gegen den Boden pressten und ihr Schläge versetzten. Andere griffen in ihr Gesicht und drohten ihr den Kiefer zu brechen, und so gab sie nach.
»So ein Miststück! Der hochehrwürdige Herr Prior hatte recht, uns vor ihrer Heimtücke zu warnen!« Die Magd sah wütend auf ihre Gefangene hinab, die nun regungslos auf dem Strohsack lag,und betrachtete dann ihre linke Hand, die die Spuren von Irmelas Zähnen trug.
»Hat mich die Hexe doch glatt gebissen!«, beschwerte sie sich und versetzte Irmela zwei Ohrfeigen.
»Steck deine Hand sofort in Weihwasser und bete drei Ave-Maria! Sonst macht das Gift dieser Schlange dich krank!« Die jüngste Stiftsdame fasste die Magd besorgt am Arm und führte sie aus dem Gewölbe.
IX.
In Melk erhielten Fabian und Gibichen endlich die Gewissheit, dass Lexenthal vor ihnen war und in dieselbe Richtung reiste wie sie. Auf den ersten Meilen ihres Ritts hatten sie oft genug mit Zweifeln und der Angst gekämpft, in die Irre zu reiten, während Irmela an einem ihnen unbekannten Ort der Folter und dem Tod ausgesetzt war. Nun aber wussten sie, dass ihre Überlegungen richtig gewesen waren. Ihnen war auch klar geworden, dass der Prior nicht den bequemeren, wenn auch langsameren Weg auf einem stromaufwärts getreidelten Schiff gewählt hatte, sondern in einer Kutsche reiste und keine Rücksicht auf die Pferde nahm.
»Vor Passau werden wir ihn nicht einholen!«, wiederholte Gibichen zum zehnten oder zwanzigsten Mal und knirschte mit den Zähnen. Er hatte gehofft, Irmela unterwegs befreien zu können, denn er sah keinen Weg, sie aus den gut gesicherten Kerkern der bischöflichen Wehranlagen herauszuholen.
»Dann müssen wir noch schneller reiten!« Fabian blickte zur Sonne auf, die wohl noch eine knappe Stunde über dem Horizont stehen würde, und trabte an der Herberge vorbei, in der sie hatten übernachten wollen. Zum Glück behinderte Fanny sienicht und beklagte sich auch nicht, wenn sie sich hinter einem Busch erleichtern oder unter freiem Himmel nächtigen musste.
An diesem Abend fühlte die Zofe sich zum ersten Mal am Ende ihrer Kräfte. Gerade als das Licht des Tages zu verblassen begann, zogen Wolken über ihnen auf, und während Gibichen eine Lichtung im Auwald der Donau als Lagerplatz wählte, begann es zu regnen. Die beiden Offiziere waren abgehärtet und schliefen trotz der Nässe und ihrer leeren Mägen rasch ein, Fanny aber fror in ihrer immer klammer werdenden Decke und fand keine Möglichkeit, sich gegen die Tropfen zu schützen, die ihr Gesicht nässten und unangenehm kalt am Hals hinunterliefen.
In dieser Stunde bedauerte sie es, sich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben, und sie vermochte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Eine Berührung an der Schulter ließ sie zusammenzucken. Sie blickte auf und sah
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