Die Feuerbraut
den Kerker.
Die Frau, deren wirklicher Name längst in Vergessenheit geraten war und die alle Welt nur als die Schwarze Hexe kannte, begriff, welch gnadenlosem Richter sie gegenüberstand. Ihr Körper und ihr Geist waren zu schwach, um den Schmerzen trotzen zu können. »Habt Gnade mit mir, hoher Herr. Ich werde alles bekennen, was Ihr wünscht.«
Während Lexenthal zufrieden nickte, presste Irmela verächtlich die Lippen zusammen. Auf diese Weise kam ihrer Meinung nach nicht die Wahrheit ans Licht. Die Gefolterten gestanden das, was der Ankläger hören wollte, selbst wenn ihre Verbrechen nur in dessen Phantasie existierten. Sie dachte an jene Hexe, deren Verbrennung sie vor mehr als einem Jahr hatte miterleben müssen, und ihr krampfte sich der Magen zusammen bei dem Gedanken, dass sich dieses schreckliche Ereignis in Bälde wiederholen würde.
XX.
Nachdem der Wille der Schwarzen Hexe erst einmal gebrochen war, vermochte Lexenthal die ganze Wahrheit aus ihr herauszuholen. Sie schwor zwar immer wieder, nur das Beste gewolltzu haben und von ihren Dämonen verraten worden zu sein, doch das änderte nichts an ihrem Schicksal. Ihr Kumpan Santini erwies sich als etwas hartnäckiger, doch am Ende vermochte auch er der Folter nicht mehr zu widerstehen, und so gestand er neben Ehrentrauds Tod auch den Raub des Kindes und den darauffolgenden Ritualmord in allen Einzelheiten.
Ebenso wie die Schwarze Hexe versuchte Santini alle Schuld auf Helene abzuwälzen. Johanna, die nicht im Geringsten daran dachte, ihre Mutter zu schonen, und Steglinger bestätigten die Aussagen der beiden, denn sie hofften, mit halbwegs heiler Haut aus der Sache herauszukommen. Der Passauer Richter, der mit Lexenthal zusammen die Verhöre leitete, nützte diesen Glauben geschickt aus und wob ein enges Gespinst aus Anklagen und Beweisen um die Gruppe, in dem sich sogar eine winzige Fruchtfliege verfangen hätte.
Zu ihrer Erleichterung musste Irmela nicht mehr an den Verhören teilnehmen. Auch Gibichen hielt sich zurück, während es Fabian immer wieder in den Kerker zog. Eines Abends, als Helene nach allen Regeln der Kunst geschunden worden war und ihr Schreien in den Gängen widerhallte, wandte Lexenthal sich an ihn. »Würdet Ihr mir einen Gefallen erweisen, Birkenfels?«
Fabian deutete eine Verbeugung an. »Wenn es in meiner Macht steht, gerne.«
»Es steht in Eurer Macht. Nur weiß ich nicht, ob Ihr dazu bereit sein werdet.« Der Prior packte ihn am Ärmel, als wolle er ihn nicht entkommen lassen, und führte ihn aus dem Kerker. Auf dem Vorplatz wartete eine mit einem Wappen geschmückte Kutsche auf sie. Gespannt, wohin der Prior ihn bringen würde, stieg Fabian ein und sah sich Herrn von Stainach gegenüber, jenem ihm noch gut bekannten Höfling aus dem Gefolge des Herzogs von Pfalz-Neuburg. Dieser begrüßte ihn, den Prior und dessen Sekretär mit einer knappen Geste.
Während der Fahrt fiel kein einziges Wort. Sie überquerten die Donau und folgten zunächst der Straße nach Grubweg, bogen dann aber zu einem Kirchlein ab, das hoch über der rasch fließenden Ilz stand. Fabian wunderte sich über ihr Ziel und sah sich in dem Gotteshaus überrascht um, denn es war festlich geschmückt. Ein Priester im vollen Ornat und einige Mönche des Dominikanerordens empfingen sie mit düsteren, bedrückten Mienen, die nicht zu der von Wachskerzen erhellten Kapelle passen wollten, und verbeugten sich respektvoll vor Lexenthal.
Der Prior atmete tief durch und blickte Fabian durchdringend an. »Ich bitte Euch, mir zu verzeihen, doch die Angst um das Seelenheil meiner Nichte zerreißt mir schier das Herz. Wenn sie so befleckt mit teuflischen Dingen, wie sie jetzt ist, vor den himmlischen Richter treten muss, wird ihr niemals die Gnade der Auferstehung und des ewigen Lebens zuteil werden. Seid Ihr bereit, Eure Hand auszustrecken und meine Nichte vor dem Verderben, das sie zu verschlingen droht, zu erretten?«
Fabian sah ihn verwundert an, nickte aber. »Ich werde tun, was in meiner Macht steht, um Ehrentrauds Seele zu retten.«
Auf dem Gesicht des Priors erschien ein dankbares Lächeln. »Ich danke Euch von ganzem Herzen, Birkenfels. Ihr seid ein Mann von Ehre. Aus Ehrentrauds Tagebuch wissen wir, wie sehr sie Euch geliebt hat, und sie schenkte Euch ihren Leib, so wie es vor Gott dem Herrn nur einem Eheweib mit ihrem angetrauten Mann erlaubt ist. Aus diesem Grund …« Lexenthal brach ab und wischte sich ein paar Tränen aus den Augen, bevor er
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